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Wortbildung - Evaluativsuffixe

© Justo Fernández López

Spanische Grammatik für deutsche Muttersprachler

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Wortbildung Evaluativsuffixe – Apreciativos

(quantifizierend - qualifizierend)

„Evaluativsuffixe sind die Diminutiv-, Augmentativ- und Pejorativsuffixe, welche in der spanischen Alltagssprache eine sehr bedeutende Rolle spielen, und die zur Neubildung jederzeit zur Verfügung stehen, oft in einer Bedeutung, die allein der jeweiligen Redesituation zu entnehmen ist.“ [Vera-Morales, S. 777]

Die sufijación apreciativa bzw. expresiva bringt eine Meinung, eine Bewertung oder ein stilistisches Element zum Ausdruck. Wörter, die mit anderen Suffixen gebildet werden, finden sich zumeist in den Wärterbüchern, wohingegen bei Wörtern, die auf ein sufijo apreciativo enden, nicht immer oder gar nicht der Fall ist.

Die variierenden (quantifizierend-qualifizierenden) Suffixe spielen im Sp. eine große Rolle.

Im Dt. fehlen die augmentativen und pejorativen Suffixe.

Z. B. das Wort casa wird in verschiedener Weise variiert:

 -ito

 Verkleinerung / Verniedlichung

 

casa

 casita

‘klein und hübsch’

 -ón

 Vergrößerung / Intensivierung

 casona

‘groß und schön’

 -azo

 Vergrößerung: abwertend / bewundernd

 casaza

‘groß und hässlich’

 -ucho

 Verkleinerung: abwertend / unscheinbar klein

 casucha

‘klein und hässlich’

Die Verteilung ist durch Kontext und Situation bedingt; so kann z. B. casita negativ und casaza positiv gemeint sein. Das sp. variierende Suffix gleicht sich im Genus an das Wort an, an das es angefügt ist - bei lexikalisierten Bildungen gibt es Ausnahmen. Die dt. variierende Suffixe -lein  und -chen sind neutra: die Hand >  das Händchen.

Die Diminutivierung dient spanisch als Mittel der Lexikalisierung. Sie dient nicht nur der Variation. Ausnahme ist -ito, -ita.  Auch die Augmentativsuffixe werden so verwendet.

Bsp.:

una avioneta

ein Sportflugzeug

 

el bolsillo

die Hosentasche

 

una ventanilla

ein Schalter

 

el ratón

die Maus

 

el sillón

Sessel

 

el sillín

Fahrradsattel

 

la camiseta

das Unterhemd

 

el camisón

das Nachthemd

 

la guerrilla

Guerillakrieg

 

la camarilla

Kamarilla / Clique

 

Wenn man einen Vergleich mit dem Deutschen anstellt, so fällt vor allem folgendes auf:

  • die Häufigkeit, mit der Wörter mit sufijos apreciativos gebildet werden

  • die Vielzahl dieser Suffixe und die Vielfalt ihrer Formen

  • die zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten dieser Suffixe in stilistischer und semantischer Hinsicht

  • die Übersetzungsprobleme, die sich stellen, wenn man den besonderen semantischen und den affektiven Wert dieser Suffixe zum Ausdruck bringen will

Im Sp. kann man sufijos apreciativos bei allen Wortarten antreffen, außer bei Artikeln, Präpositionen und Konjunktionen. Am häufigsten finden sie sich bei Substantiven und Adjektiven.

„Mit Hilfe der genannten Suffixe werden Formen gebildet, die auf den nichtspanischen Muttersprachler häufig überraschend wirken, und zwar aufgrund

  • der Originalität, der Phantasie, den scheinbar „unmotivierten“ Gebrauch, der vermeintlichen (oder in manchen Fällen tatsächlichen?) Willkür, mit der man sich ihrer bedient,

  • eines Gefühls der Widersprüchlichkeit oder sogar Anarchie, wenn man der immensen Zahl von Nuancen gegenübersteht, die viele dieser Formen ausdrücken können und die zuweilen den Eindruck erwecken, dass man es mit einem völlig chaotischen System zu tun hat, in dem sozusagen alles möglich ist.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Wie soll man im Deutschen, das über keinerlei augmentative und lediglich über zwei diminutive Suffixe (> -chen, -lein) verfügt, einen Text wie den folgenden wiedergeben:

¡Platero! ¡Platerón! ¡Platerillo! ¡Platerete! ¡Platerucho!...[mit diesen vier stark affektiv geprägten Formen ruft ein kleines Mädchen ihr Eselchen Platero (in dem Werk von J. R. Jiménez, Platero y yo -angeführt von H. Berschin u.a. (Die spanische Sprache, 311 - mit dem Kommentar: „Mit dem deutschen Suffixregister lässt sich folgende Augmentativ-Diminutiv-Kette (...) nicht übersetzen)].“ [Bruyne, J. de 1993, S. 572]

 

Die Bildung der Formen

 

Beim Anfügen von sufijos apreciativos ist zu beachten:

Die Endungen -a, -o fallen aus!

Bsp.:

niño - niñito; niña - niñita; gordo - gordete; reina - reinecita

Das Genus der Suffixendung richtet sich nach dem des Grundwortes. Also durch das Anfügen eines Suffixes ändert sich das Genus des Substantivs im Prinzip nicht.

Bsp.:

chico  = chiquito;  chica  = chiquita

Es gibt auch Ausnahmen: una botella - una botellita - un botellín - un botellón

Plural:  bei Endung auf Vokal > -s und bei Endung auf Konsonanten > -es

Bsp.:

chiquito  -  chiquitos; pequeñín  -  pequeñines; chiquitín  -  chiquitines

Die sufijos apreciativos können nicht immer ohne weiteres an ein Grundwort angefügt werden. Es gibt eine Reihe von recht komplizierten Vorschriften, denen zufolge Vokale ausfallen oder sogenannte „Stützvokale“ oder „-konsonanten“ eingefügt werden müssen.

Bsp.:

niño - niñito; hombre - hombrecito; flor - florecita; pie - piececito

Bei der Bildung von apreciativos verschwindet manchmal der Diphthong -ue, -ie des Grundwortes, wenn die Betonung auf eine andere Silbe fällt.

Bsp.:

pueblo

poblacho

 

 

 

 

aber

tienda

tenducho

puerta

portezuela

sierra

serrezuela

plazoleta

plazuela

hueco

huequecito

rueda

ruedecita

pierna

piernecita   

quieto

quietecito

 

Manchmal muss bei der Bildung des Diminutivs die Schreibung des Grundwortes geändert werden.

Bsp.:

agua - agüita - agüecita - agüilla

 

aldea - aldehuela

 

cerveza - cervecita

 

loca - loquita

 

mozo - mocico

 

muñeca - muñequita

 

nariz - naricita

 

Paco - Paquito

 

pez - pececito 

 

poco - poquito

 

pozo - pocillo;

 

trozo - trocín

 

vaca - vaquita

 

Die Akkumulation der Diminutivendungen und ihre Verbindung mit anderen Modifikanten der Größe und der emotionellen Einschätzung ist ein typisches Merkmal der spanischen Wortbildung. Manchmal wird ein bestimmtes Suffix in ein und demselben Wort wiederholt, wodurch der expressive Wert der Form noch verstärkt wird. Solche Bildungen sind vor allem in Lateinamerika sehr gebräuchlich.

Wie bei den Diminutivsuffixen können auch die Augmentativ- und Despektivsuffixe – vor allem -ón – mit anderen Suffixarten oder miteinander kombiniert werden.                              

Bsp.:

ahora

ahorita

ahor-it-ita

 

amigo

amigazo

amig-az-azo

 

boca

bocaza

boc-az-aza

 

guapo

guapete

guap-et-ón

 

pobre

pobrete

pobr-et-ón

 

bueno

buenacho

bon-ach-ón

 

hombre

hombracho

hombr-ach-ón

 

pícaro

picarón

picar-on-azo

 

todo

todico

tod-it-ico

 

chico

chiquito

chiqu-it-ito

 

chico

chiqu-it-it-ito

chiqu-it-in-ín

 

chiquito

chiqu-it-ajo

chiqu-ill-ote

 

calle

callejón

calle-jon-cito

 

santo

sant-urr-ón

 

Der semantische Aspekt der sufijación apreciativa

 

Man kann sufijos apreciativos bei fast allen Wortarten antreffen, außer bei Artikeln, Präpositionen und Konjunktionen. 

 

bei Substantiven

Auch gentilicios und manchen Eigennamen erhalten sufijos apreciativos.

Bsp.:

asturianín

ein (echter) asturiano  (aus Asturien)

 

españolaza

„ein Prachtexemplar von einer spanischen Frau“ [Bruyne, J. 575]

 

José - Pepe - Pepito - Pepillo - Peporro - Pepazo - Pepón - Pepucho – Pepín

 

Francisco - Paco - Paquito - Pancho – Panchito

 

Dolores - Lola - Lolita

                                              

bei Adjektiven

Suffixe werden im Spanischen häufig an Adjektive angefügt.

Bsp.:

el niño nació [ciego] cieguecito

 

das ärmste Kind ist blind geboren worden [= Gefühl des Mitleids]

Oft gibt das Suffix dem Adjektiv den Wert eines Superlativs.

Bsp.:

es muy [fácil] facilón

es ist sehr einfach

 

bei Zahlwörtern

Sowohl bei Kardinal- als auch bei Ordinalzahlen kann ein sufijo apreciativo auftreten.

Bsp.:

mil pesetas para él no son nada, es como si yo le doy cinquito a un mendigo

 

was sind schon für ihn tausend Peseten, es ist gerade so, als ob ich einem Armen fünf läppische Peseten geben würde

 

un cincuentón - un sesentón - un setentón

 

ein 50jähreiger ... Mann

 

si le dan el premio, yo soy el primerito que se alegra

 

wenn er den Preis bekommt, bin ich der allererste, der sich darüber freut

 

bei Adverbien und adverbialen Ausdrücken

Sehr häufige Verkleinerungsformen mit superlativer Bedeutung bei Adverbien und adverbialen Ausdrücken sind

ahora

ahorita

 

jetzt gleich / jetzt sofort

a la mañana

a la mañanita

 

am frühen Morgen

cerca

cerquita

 

ganz in der Nähe

derecho

derechito

 

ganz geradeaus

en seguida

en seguidita

 

(aber) sofort

hasta luego

hasta lueguito

 

bis später dann

lejos

lejitos

 

ziemlich weit entfernt

poco a poco

poquito a poco

 

nach und nach / ganz langsam

pronto

prontito

 

sehr bald

temprano

tempranito

 

ganz in der Früh

Bei dieser Art von Wörtern werden in der Hauptsache Diminutivsuffixe gebraucht.

Es mag paradox klingen, aber diese sufijos diminutivos verleihen dem Grundwort den Wert eines Superlativs oder sie verstärken seine Bedeutung.

Bsp.:

-Sí, señor, ahora lo hago.

 

-Jawohl, ich mache es gleich.

 

-Ahorita si te parece mejor.

 

-Jetzt sofort, wenn dir das besser gefällt

 

bei Verben

An das gerundio - auch wenn es den Wert eines Imperativs hat - können Diminutivsuffixe angefügt werden.

Bsp.:

iba con la cruz, silbandillo

er ging mit dem Kreuz und pfiff vor sich hin

 

y dijo: Andandito

und sagte: gehen wir vorsichtig weiter

 

y le dijo muy callandito

und er sagte ganz leise zu ihr

Auch an Perfektpartizipien können sufijos apreciativos angefügt werden, da das Partizip sehr häufig mit dem Wert eines Adjektivs gebraucht wird. 

Wenn das Partizip (mit haber verbunden) seinen verbalen Wert beibehält, kommt das Anfügen von Suffixen nur in Ausnahmefällen vor.     

Bei Partizipien mit passivischer Bedeutung wird dabei die Endung -ísimo bevorzugt.

Bsp.:

el niño está dormidito

das Kind schläft ganz selig

 

era una mujer ya entradita en años

sie gehörte nicht mehr zu den Jüngsten

 

un libro leidísimo

ein vielgelesenes Buch

Es gibt eine Reihe von Wörtern, die mit Hilfe des Augmentativsuffixes -ón von Verben abgeleitet werden. Es handelt sich meistens um Verben auf -ar.

Sie werden als Adjektive (substantiviert) gebraucht und betonen den frequentativen und intensiven Aspekt des Vorgangs.        

comer

comilón

gefräßig, Vielfraß

criticar

criticón

Krittler, Kritikaster

dormir

dormilón

Langschläfer, Schlafmütze

faltar

faltón

unzuverlässig, wortbrüchig

jugar

juguetón

verspielt

mirar

mirón

gaffend, neugierig, Voyeur

preguntar

preguntón

lästiger Frager

replicar

replicón

ständig widersprechend, Rechthaber

responder

respondón

jemand, der stets freche Antworten gibt

tragar

tragón

gefräßig, gierig, Vielfraß

Beachte:        

Durch den Gebrauch eines Infixes kann eine Art Unvollkommenheit der durch das Verb bezeichneten Handlung oder des bezeichneten Vorgangs zum Ausdruck gebracht werden. Das Infix entspricht der Form und Bedeutung nach einem der häufig gebrauchten Suffixe ­-(o)te, -ic(o), -it(o), -uc(o).  

Mit Ausnahme von dormitar [lat. dormitare] enden alle Verben dieser Gruppe auf -ear.                                                       

bailar

bailotear

herumhopsen, schlecht tanzen

dormir

dormitar

dösen

besar

besuquear

abküssen, abknutschen

lavar

lavotear

flüchtig waschen

llorar

lloriquear

wimmern, flennen, heulen

„Auch hier sollte der nichtspanische Muttersprachler beim aktiven Gebrauch besser vorsichtig sein: lloriquear kann nicht bei tiefer Trauer verwendet werden, ebenso wenig wie corretear [< correr („laufen“)] bei einem Olympioniken oder juguetear [< jugar („spielen“)] bei einer Partie Poker mit einem Einsatz von einer Million Peseten der richtig Ausdruck wäre.

[In gewisser Weise lassen sich diese verbos diminutivos im Deutschen mit Formen wie knöcheln (< knochen), schneieln (< schneien), tänzeln (< tanzen) ... vergleichen.]. [Bruyne, J. de 1993, S. 577]

 

bei Pronomen

Man kann sowohl bei selbständigen als auch bei attributiv gebrauchten Pronomen sufijos apreciativos verwenden.

Bsp.:

ese era su mundo, suyísimo

 

das war seine Welt, seine ureigenste Welt

 

se pasó todito el día durmiendo

 

er schlief ununterbrochen den ganzen Tag lang

                                              

bei Interjektionen man finden verkleinernde Suffixe in Formen wie         

aber natürlich!

¡claro!

¡clarito!

aber Vorsicht!

¡cuidado!

¡cuidadito!

verflixt!

¡caramba!

¡carambita!

Bsp.:

¡carambita contigo!

 

schrecklich mit dir!

 

Ein Merkmal des spanischen Suffixsystems ist, dass ein und dasselbe Suffix sehr häufig unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Ein typisches Beispiel dafür ist das Suffix -azo, das folgende Nuancen zum Ausdruck bringen kann:

  • vergrößernder Wert

  • anerkennende Bedeutung

  • Begriff, der einen Schlag oder Stoß bezeichnet

  • Schuss einer Feuerwaffe

  • spektakulärer politischer Auftritt

„Der - vor allem für nichtspanische Muttersprachler - häufig seltsame oder sogar unlogische Charakter mancher (...) Beispiele lässt sich durch den affektiven Wert erklären, den die Grundwörter im Spanischen durch die Suffixe meist erhalten. Dies bedeutet, dass die sogenannten diminutivos und aumentativos nicht nur die kleinen oder großen Abmessungen von etwas oder jemandem betonen, sondern häufig in erster Linie eine emotionale Betrachtungsweise zum Ausdruck bringen sollen, die die rein optische Perspektive an Bedeutung bei weitem übertrifft. Die Nuancen, die sich auf diese Weise ausdrücken lassen, sind zahlreich. Zum Beispiel: Zuneigung, Freundlichkeit, Zärtlichkeit, Liebe, Bewunderung, Höflichkeit, Mitleid, Vertrautheit, Freude, Bescheidenheit (oder falsche Bescheidenheit), die Sorgfalt, mit der etwas getan wird, Sicherheit und Geborgenheit, Ironie und Spott, Ungezogenheit, euphemistische und pejorative Bedeutung usw.

Andererseits ist zu beachten, dass in Lateinamerika - wo zweifellos noch mehr derartige Suffixe vorkommen als in Spanien - der valor apreciativo oft ganz oder teilweise verlorengegangen ist. Wer Lateinamerika bereist oder häufig lateinamerikanische Prosa liest, wird feststellen, dass oftmals das Stadium der Lexikalisierung erreicht ist und dass Wörter oder Ausdrücke wie ahorita, patroncito, con permisito ... eigentlich nicht mehr bedeuten als ahora („jetzt“), patrón („Chef“), con permiso („Sie gestatten?“, „mit Ihrer Erlaubnis“). [Bruyne, J. de 1993, S. 582]

„In den Texten überschneiden sich die Redebedeutungen von Diminutiv-, Augmentativ- und Despektivsuffixen. Wenn zum Beispiel eine Vergrößerung, vor allem beim Adjektiv, positiv beurteilt wird, so können die entsprechenden Augmentativbildungen affektive Werte ausdrücken, die Diminutivformen eigen sind: noblote, grandote, tristón, tontona, picaronazo.

Wird aber die Vergrößerung als negativ empfunden, nimmt das entsprechende Konstruktdespektiven Wert an: barbarote, papelote, caserón, cochinazo.  Wird andererseits durch die Verkleinerung eine affektive Intensivierung bewirkt, so rücken die Diminutiva in den Bereich der Augmentativa und ihre Zuordnung stellt in solchen Fällen (despacito, de prisita, cerquita, juntitos, blanquito, callandito u.a.) ein Problem dar. Schließlich können sich ebenfalls Verkleinerung und affektive Abschätzung als Gegenpol der Annäherung Verkleinerung - affektive Hochschätzung einander so sehr annähern, dass Diminutivendungen sehr oft nur eine despektive Konnotation aufweisen.“ [Cartagena /Gauger, Bd. 2, S. 283-284]

Bsp.:

un hombrecillo de muy baja estatura

 

ein Mann sehr kleiner, fast zwergenhafter Statur

 

la mujer de cualquier tenientito

 

die Frau von irgendeinem kleinen Leutnant

„Es liegt auf der Hand, dass sufijos diminutivos, aumentativos und despectivos im Prinzip verkleinernde, vergrößernde bzw. abwertende Bedeutung haben. (...)

In der Praxis führt der Gebrauch der spanischen Suffixe bisweilen auch zu Schwierigkeiten und scheinbar unlogischen Bildungen und Verbindungen. So kann man feststellen, dass Wörter wie pelón (< pelo - „Haar“) und rabón (< rabo - „Schwanz“), die mit einem Augmentativsuffix gebildet werden, eine Bedeutung aufweisen, die der des verwendeten Suffixes scheinbar entgegengesetzt ist. Obgleich -ón von vielen als das aumentativo par excellence betrachtet wird, bedeutet pelón „kahl“, „mit wenig oder gar keinem Haar“ und rabón „kurzschwänzig“, „schwanzlos“. Ähnliches gilt für ratón („Maus“), das ein kleineres Tier bezeichnet als rata („Rate“), und für tristón (< triste - „traurig“), „betrübt“), das trotz des sufijo aumentativo vom DRAE als un poco triste („etwas traurig“) definiert wird. Tritt dann das Adverb muy vor tristón, so handelt es sich strenggenommen um eine unlogische Wortbildung:

Me siento muy tristona y alicaída (D. Fernández Flórez, Lola, espejo oscuro, 371).

Ich sehr traurig und niedergeschlagen.

Seltsam mutet auch der Gebrauch von muy vor Wörtern an, die auf ein sufijo diminutivo enden, wie im folgenden Beispiel:

Estaba muy malita, tú lo sabes. ¡Estaba tan malita! (E. Quiroga, Viento del Norte, 85)

Es ging ihr sehr schlecht, wie du weißt. Es ging ihr ja so schlecht!

„Sehr ein wenig schlecht“ ergibt natürlich keinen Sinn. -ito steht nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung. Das Suffix hat hier einen eindeutig affektiven Wert.  Scheinbare Gegensätze können auch in ein und demselben Wort zutage treten, wenn sowohl ein verkleinerndes als auch ein vergrößerndes Suffis gebraucht wird.

Nadie sabe si era una criatura magra y espigadita o gordezuela y culoncilla. (C.J.Cela, Garito de hospicianos, 73).

Niemand weiß, ob es eine dünne Bohnenstange oder ein molliger Knirps mit runden Pobäckchen war.

In dieser formal widersprüchlichen Bildung umschreibt das erste Suffix (-ón) die Bedeutung des Substantivs, an das es angefügt ist (culo) näher; das zweite hat  einen komplexeren Wert: es wird im Zusammenhang mit einem anderen Wort im Satz gebraucht (-illa ~ criatura = „Knirps“), und es relativiert zugleich das augmentative -ón, in diesem Satz ist nämlich von einem Baby die Rede.

Nur wenn die mit Suffixen gebildeten Wörter als Strukturen mit eigener, neuer Bedeutung begriffen werden und nicht als die Summe der einzelnen Elemente, kann derjenige, der nicht über das Sprachgefühl des hispanohablante verfügt, Formen verstehen und akzeptieren, die auf den ersten Blick unerwartet, merkwürdig und paradox klingen.“ [Bruyne, J. de 1993, S. 580]

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