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ALLEGORIE Alegoría (comp.) Justo Fernández López Diccionario de lingüística español y alemán
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Vgl.: |
Symbol / Metapher / Metonymie / Mythos / Mythos und Logos / Rhetorik /
Rhetorische Figuren |
„Allegorie (griech. u. lat. allegoria: anders
als öffentlich sprechen):
Die Allegorie ist
eine systematisch durchgeführte Anspielung, die zwei Bedeutungszusammenhänge,
einen »wörtlichen« oder initialen u. einen »allegorischen«, enthält. In der
Rhetorik wurde sie als »fortgesetzte Metapher« (lat. metaphora continuata)
erläutert. Orwells Roman Animal Farm (1945) ist initial eine bittere
Tiergeschichte, allegorisch eine Satire. Allegorie auf die Oktoberrevolution u.
den Stalinismus. Die Gattung der Allegorie entwickelte sich mit der Praxis der
Allegorese. In der Gattungsgeschichte werden zwei Allegorietypen
unterschieden: die implikative Allegorie (z. B. Animal Farm) u. die explikative Allegorie (z.B. O Tannenbaum, o Tannenbaum). In der
explikativen Allegorie wird »explizit« angegeben, was die allegor. Bedeutung
ist (»O Tannenbaum, o Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren [...]«). Von
der »doppelsinnigen Schreibart« (Johann Jacob Bodmer) der Allegorie muss man
die Personifikation (griech. prosopopoeia; lat. fictio personae,
personificatio) unterscheiden. In ihr wird Nichtpersonenhaftes (»Abstraktes«)
in die Rolle einer handelnden Person überführt.“
[Held, Volker: Sachlexikon Literatur. München: DTV,
2000, S. 114]
●
„Allegorie durchgehaltene Metapher, so etwa die
Staatsschiff-Allegorie bei Horaz (carm. 1,14). Im Unterschied zur Metapher ist
eine Allegorie auch im eigentlichen Sinne verständlich, während bei der
Metapher nur die bildliche (übertragene, figurative) Bedeutungsebene sinnvoll
ist; vgl. Horazens Staatsschiff-Allegorie (die man auch als Darstellung einer
Seereise interpretieren könnte) mit der Metapher ‘Achill war ein Löwe in der
Schlacht.’ Personifikation.“
[Verzeichnis der grammatikalischen Fachbegriffe.
Ein Glossar zu Grammatik, Stilistik und Linguistik:
http://www.menge.net/glossar.html#alphe]
●
„Allegorie
Unter ‚Allegorie’
versteht man die konkrete Veranschaulichung (z.B. Personifikation) abstrakter
Begriffe. Prinzipiell ist die Allegorie vom Symbol zu Unterscheiden,
obwohl es im Einzelfall einer vorliegenden Deutung oft nicht leicht ist, zu
sagen, welcher Begriff das Vorgehen nun adäquater charakterisiert. «Die
Allegorie unterscheidet sich durch ihre rationale und streng durchgeführte
Individualisierung des allgemeinen vom Symbol, wo eine rational nicht fassbare
Wesensverwandtschaft mit dem dahinterstehenden Inhalt besteht» (C. M. Edsmann,
RGG 3I 238).
Die allegorische
Deutung des Mythos folgte unmittelbar der Homerkritik der Vorsokratiker und
wurde im 6. Jahrhundert bereits häufig angewandt. Während Plato diese Form der
Deutung eher vermeidet, wird sie von der Stoa formell ausgebaut, wobei vor
allem kosmologische und ethische Begriffe leitend sind. Der methodologische Ort
der Allegorie ist dabei in der Rhetorik zu suchen. Bei der allegorischen
Mythendeutung tritt der ‚Oberflächencharakter’ solcher Auslegung sehr deutlich
zutage, insofern immer neue allegorische Identifikationen vorgenommen wurden,
es also nicht zur Ausbildung eines festen Schemas kam.
Für die
Vermittlung allegorischer Mythendeutung in die biblische Auslegungsgeschichte
war Philo (um 45/60 n. Ch.) entscheidend. [...] Philo wurde zum Vorbild der
christlichen Allegorese sowohl in Hinsicht auf das Alte Testament als auch in
Hinsicht auf die griechischen Mythen, so besonders für Clemens von Alexandrien
und Origenes, aber auch für die lateinische Tradition.“
[Schupp, Franz: Mythos und Religion. Düsseldorf: Patmos,
1976, S. 16]
●
Allegorie (gr. allegorein = etwas anders sagen,
bildlich reden) bildhafte Veranschaulichung eines Begriffes, eines abstrakten Gedankens
oder Begriffsfeldes durch eine Bild- und/oder Handlungsfolge; oftmals in Form
der Personifikation, die quasi flächendeckend über einen ganzen Text oder
mindestens einen Textabschnitt ausgedehnt wird; im Unterschied zur Metapher
willkürliche Beziehung zwischen Bild und Bedeutung, die rational erklärt werden
will; im Vergleich zum Symbol meist ad
hoc konstruiert; zielt auf Sinn und Gefühl; - vgl. Bild, Metapher,
Personifikation, Symbol, Sinnfiguren, Beispiele:
„Justitia“ als
blinde Frau oder Frau mit verbundenen Augen; „Ehe“ als Hafen; „Staat“ Schiff.
●
„Es ist in der
Tat charakteristisch für die Allegorien,
dass sie eine wörtliche Interpretation zulassen (weshalb viele Allegorien, für
die der Schlüssel verloren gegangen ist, wörtlich gelesen werden). Man
entscheidet sich nur dann dafür, eine Folge von Aussagen als Allegorie zu
interpretieren, wenn andernfalls die Gesprächsmaxime der Relevanz (vgl. Greimas
1967) verletzt würde, weil der Autor mit zu vielen Einzelheiten Ereignissen
erzählt, die in diesem Zusammenhang nicht wichtig zu sein scheinen, und damit
die Vermutung nahe legt, dass seine Worte eine zweite Bedeutung haben müssen
(der zweite Grund, weshalb die Allegorie gewöhnlich erkennbar ist, liegt darin,
dass der allegorische Diskurs bereits in Codes enthaltene, als allegorisch
erkennbare Bilder verwendet).
Sobald die
Allegorie als solche erkannt wird, nehmen die Bilder, die sie beschreibt, und
nicht die verbalen Zeichen, die diese Bilder evozieren, metaphorischen Status
an.“
[Eco, Umberto: Die Grenzen der Interpretation. München
/ Wien: Carl Hanser Verlag, 1992, S. 194]
●
„Allegorie [gr. allo
agoreuen = etwas anderes sagen], Veranschaulichung
1. eines Begriffes durch ein rational
fassbares Bild: Begriffs-Allegorie
(statt) z. B. ‘Justitia’ als blinde Frau (Personifikation), Staat als Schiff;
2. eines
abstrakten Vorstellungskomplexes oder Begriffsfeldes durch eine Bild- und
Handlungsfolge: Geschehens-Allegorie,
z. B. Widerstreit zw. positiven und negativen Eigenschaften (Tugenden und
Laster) als ep. ausgeführter Kampf menschl. oder tier. Gestalten. Im Gegensatz
zur Metapher ist die Beziehung zw. Bild und Bedeutung willkürlich gewählt,
verlangt daher nach rationaler Erklärung; damit ist aber eine Gleichsetzung bis
ins Detail möglich.
Zu unterscheiden sind zwei Grundfunktionen der Allegorie:
1. als
Methode der Exegese (Allegorese) eines vorhandenen, für sich bestehenden
Textes, dem ein anderer Sinngehalt übergeordnet wird (sensus litteralis oder
historicus - sensus allegoricus oder spiritualis). Verwand damit ist die bibl.
Typologie, die historische Gestalten (Tyüus-Antitypus) zueinander in einem über
sie hinaus- (auf die Heilsgeschichte) weisenden Sinnbezug versetzt.
2. als
Mittel poetischer Darstellung in einem von vornherein als Allegorie geschaffenen,
geradezu konstruierten Text - entweder als allegoria tota (in sich
geschlossene, für sich stehende Allegorie), deren Deutung evtl. in eine
gesonderten Textfolge nachgeliefert wird (Extremform Rätsel: wenn das Gemeinte
nur schwer zu entschlüsseln ist) oder als allegoria permixta (gemischte
Allegorie), die schon im Kontext Hinweise für die Lösung enthält. Zweck der
Allegorie ist im Unterschied zur Metapher die gewollte, intendierte Anregung
zur Reflexion. Sie wurde in der antiken Rhetorik als uneigentl. Redeweise unter
die Tropen eingereiht (Gedankentropus).
Allegorien
finden sich seit der Antike in Lit. und Kunst. Viele Begriffs-Allegorien wurden
durch häuf. Verwendung mit der Zeit auch ohne Aufschlüsselung verständl., z. B.
Glaube, Liebe, Hoffnung, Fortuna als Frauen mit bestimmten Attributen, das
Glücksrad usw. Traditionsbildend waren bes. als Geschehens-Allegorien angelegte
moral. didakt., philosoph. oder polit Werke, z. B. von Prudentius
(„Psychomachia“), Boëthius („Trost der Philosophie“), Martianus Capella
(„Vermählung der Philosophie mit Merkur“).
Das MA. mit
seiner Vorliebe für allegorisierende Interpretationen (Allegorese) brachte in
Literatur und Kunst durch freie Kombination immer neue Allegorien und
allegorische Werke hervor oder unterlegte anderen Werken einen allegor. Sinn,
vgl. Lapidarien, Bestiarien („Physiologus“), Schachbücher, v. a. Minne-, Jagd-,
Traum-Allegorien. Als sinnstieftende Episoden finden sich Allegorien im „Erec“
Hartmanns v. Aue (joie de la court) und im „Tristan“ Gottfrieds v. Straßburg
(Minnegrotte); eine Gesamt-Allegorie ist die afrz. „Rosenroman“ von Guillaume
de Lorris/Jean de Meung (13. Jh.).
Der „Renner“
Hugos v. Trimberg enthält mit didakt. Zielsetzung eine Fülle im MA. gängiger
Allegorien ebenso die Werke Dantes und Petrarcas, die spätmal.
Jedermannsspiele, der „Teuerdank“, in England E. Spencers „Faerie Queene“
(1590).
Bes. beliebt
sind beiderlei Allegorien auch im Barock: vgl. das Jesuitentheater, die
Trauerspiele von A. Gryphius oder etwa „The Pilgrim’s Progress“ von J. Bunyan.
Allegorien
begegnen auch noch in den Fabeln und Parabeln Lessings, in Goethes Spätwerk
(Festspiele, „Faust II“, z. B. Frau Sorge), bei E. T. A. Hoffmann („Prinzessin
Brambilla“), bei J. v. Eichendorff („Das Marmorbild“).
Als
allegor.-symbol. Mischform wird Novalis ‘blaue Blume’ interpretiert. Auch in
der modernen Dichtung finden sich Elemente, z. T. durch den Symbolismus
beeinflusst, die als Allegorien verstanden werden können (vgl. die Dramen P.
Claudels). Der Begriff Allegorie ist aber für die vielschichtige moderne
Dichtung nur noch bedingt anwendbar, da die verschiedenen Formen des
übertragenen und verschlüsselten Darstellers sich in ihnen z. T. überschneiden
(vgl. Franz Kafka). Am ehesten noch kann die indirekte Behandlung polit. u. gesellschaftl.
Probleme am Beispiel vergleichbarer histor. Situationen als allegorisch
(Geschichts-Allegorien) aufgefasst werden (vgl. histor. Roman u. Drama, z. B.
Bergengruen: „Der Großtyrann und das Gericht“, G. Orwell, „Animal Farm“, A.
Miller, „Hexenjagd“).“
[Günther und Irmgard Schweikle (Hrg.): Metzler Literaturlexikon. Stuttgart, 2.
überarb. Aufl.1990, S. 9-10]
●
„Symbole wurden dann auch in übertragenen (metaphor.) Sinne verwendet für
ein bildhaftes Zeichen, das über sich hinaus auf höhere geist. Zusammenhänge
weist, für die Veranschaulichung eines Begriffes, als sinnl. Zeugnis
für Ideenhaftes.
Im Unterschied zur rational auflösbaren, einschicht. Allegorie oder zum klar
definierten Emblem hat das Symbol eine ganzheitliche, mehrdimensionale
ambiguose Bedeutung: „Frau Justitia“ ist z. B. eine Allegorie, die Waage in
ihrer Hand kann als Symbol der Gerechtigkeit aufgefasst werden. Das Symbol
steht im Gegensatz zur willkürlich gesetzten Allegorie wie die Metapher in
einem naturhaften Evidenzverhältnis zum Gemeinten, ist ein Sinn-Bild, bei dem
die Relation zwischen Sinn und Bild, zwischen dem Geistigen und der Anschauung
offenkundig ist. Das Symbol wendet sich weniger an den Intellekt wie die
Allegorie als an Sinn und Gefühl, es zielt auf tiefere Bewusstseinsschichten.
Der metaphorische Symbol-Begriff setzt wie die ursprüngliche konkrete
Bezeichnung eine Gemeinsamkeit des geistigen, weltanschaulichen und kulturellen Basis voraus, einen bestimmten Symbol-Horizont.
Symbole gewannen bes. Bedeutung im Mythos (Attribute der Götter), in der
Religion (Kreuz als Symbol des Christentums), in Dichtung und Kunst, aber auch
in der politischen und militärischen Selbstdarstellung (Wappen, Fahnen), in
Brauchtum und Alltagsleben. Neben sog. natürlichen Symbolen (z. B. Tier-Symbole:
Löwe, Adler, Taube) stehen konventionelle, durch Übereinkunft geschaffene
(Friedenszweig, blaue Blume, Hammer und Sichel); neben symbolischen Zeichen
finden sich auch symbolische Handlungen (Altarsakrament, Taufe, Fahnenweihe),
auch bildhafte Abstraktionen von Begriffen im Verkehr (Verkehrszeichen) und
schemat. Darstellungen aller Art werden als Symbole bezeichnet. In diesen
Bereichen sind die Grenzen zur Allegorie fließend.
Goethe sieht im Symbol eine aufschließende Kraft, die
das Allgemeine im Besonderen, das Besondere im Allgemeinen offenbart. In diesem
Sinne erscheinen Kunst und Dichtung als symbol. Transformationen der Welt. Seit
der Goethezeit werden sie demnach als Ausdrucksmedium verstanden, die über
die Erscheinungsbild hinaus auf tiefere Seinsschichten verweisen (A. W.
Schlegel: „Das Schöne ist eine symbolische Darstellung des Unendlichen“; I. Kant
sieht im Symbol „eine Art der intuitiven Vorstellung“).
Während des Symbol-Begriff Goethes ganzheitl. konzipiert ist, kann er in
der Romantik einseitig durch philosophische Reflexion betrachtet sein,
so dass sich das Gleichgewicht von Sinn und Bild zugunsten eines verrätselten
Sinnes verschiebt, die Symbolik zur Symbolistik wird.“
[Günther und
Irmgard Schweikle (Hrg.): Metzler
Literaturlexikon. Stuttgart, 2. überarb. Aufl.1990, S. 451]
●
„Gebrauch von Symbol und Allegorie
Wenn wir das Symbol
im Sinne der Logiker oder Mathematiker verstehen, dann ist das Symbol
entweder ein Bedeutungsträger, der mit seiner Bedeutung gesetzmäßig korreliert,
d.h. durch eine präzise Konvention, die als solche durch andere
Bedeutungsträger interpretierbar ist (vgl. Peirce). Oder das Symbol wird
verstanden als eine Variable, die für viele Verbindungen offen ist, die aber,
wenn sie einmal einen »bestimmten« Wert angenommen hat, im gleichen Kontext
keine anderen Werte repräsentieren kann. Wenn wir das Symbol im Sinne Hjelmslev
verstehen, dann sind etwa Kreuz, Hammer und Sicher sowie Embleme und
heraldische Bilder Beispiele für den hier gemeinten Symbolbegriff. Symbole in
diesem Sinne sind Allegorien.
Es gibt jedoch
noch eine andere Bedeutung des Wortes »Symbol«, der zufolge Symbole
Bedeutungsträger sind, die eine »nebelig« Bedeutung vermitteln und letztlich
unerklärbar bleiben. Goethe zufolge »verwandelt die Symbolik die Erscheinung in
Idee, die Idee in ein Bild und so, dass die Idee im Bild immer unendlich
wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen,
doch unaussprechlich bliebe. Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in
einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, dass der Begriff im Bild immer
noch begrenzt und vollständig zu halten und zu haben und an demselben
auszusprechen sei« (Maximen und
Reflexionen 749/750, Hamburger Ausgabe).
Goethes
Definition verträgt sich mit derjenigen der idealistischen Philosophie, auch
wenn sich die Philosophen des Idealismus über das Wesen des Symbolismus nicht
gänzlich einig waren: Schelling beispielsweise identifizierte das Symbol
mit der höheren Form der Kunst, während Hegel das Symbol als ein Charakteristikum
der niedrigeren und primitiveren Stufen der Kunst ansah. Für beide jedoch traf
sich im symbolischen Verfahren das Endliche mit dem Unendlichen bzw. war es
jenes Moment, in welchem die Kunst bei ihrem Versuch, das Unendliche
auszudrücken, der Unzulänglichkeit ihrer eigenen Bilder inne wurde und dabei
auf etwas Größeres und Höheres anspielte, ohne in der Lage zu sein, dieses
gänzlich auszudrücken.
Wenn wir
heutzutage in der Dichtung, in der Psychoanalyse oder auch in der
kritischen Analyse unserer unbewussten ideologischen Verhaltensschemata
von Symbolen sprechen, dann hat es den Anschein, als benutzten wir diesen
Begriff in seiner romantischen Bedeutung. Wenn wir aber von Symbolen im logischen
oder mathematischen Sinne sprechen, dann benutzen wir den Begriff auf eine
andere Weise.
Diese Ambiguität
hat ihre Wurzel in der griechischen Etymologie. Ursprünglich war das
Symbol ein Erinnerungsstück (z. B. die gegenwärtige Hälfte eines zerbrochenen
Tisches, einer Münze oder Medaille), dessen soziale und semiotische Funktion
darin bestand, die abwesende Hälfte, mit der es potentiell verbunden werden
konnte, in Erinnerung zu rufen. Die Möglichkeit dieser Verbindung als solche
war das Entscheidende, denn eben weil die beiden Hälften miteinander verbunden
werden konnten, war es nun nicht mehr notwendig, diese Verbindung tatsächlich
herzustellen. So kommt es, dass, wenn wir ein Theater mit unserer
Eintrittskarte betreten, niemand mehr nach deren zweiter Hälfte fragt und jeder
der semiotischen Natur dieses Erinnerungszeichens vertraut, die im
geschilderten Fall auf der Grundlage einer etablierten und anerkannten
Konvention funktioniert.
Wenn jedoch die
vorhandene Hälfte der zerbrochenen Medaille den Geist ihrer abwesenden Hälfte
und des ursprünglichen Ganzen evoziert, dann drängen sich andere Bedeutungen
des Symbolbegriffs auf. So gesehen bedeutete das Verb symballein den Versuch einer Interpretation, einer
Konjektur, einer Rätsellosung, eben den Versuch, von etwas Unpräzisem, weil
Unvollständigem, auf das zu schließen, was es suggerierte, evozierte und
enthüllte, aber nicht auf konventionelle Weise aussagte. In diesem Sinne war
das Symbol eine ominöse plötzliche Erfahrung, eine Ankündigung vager
Konsequenzen, die versuchsweise vorhergesagt werden konnten. Es war ein semeion, aber ein semeion von unfassbarer Qualität. Es war
eine göttliche Botschaft, die ähnlich jener Sprache in vielen Zungen von
jedermann verstanden wurde, ohne dass jemand laut buchstabieren konnte, was er
verstanden hatte.
Auch den logisch-mathematischen Symbolbegriff
möchte ich hier nicht eingehen, sondern stattdessen zu verstehen versuchen,
wie modern der dichterische und psychoanalytische Symbolbegriff ist.
Meiner Meinung nach entstand er weit vor der romantischen Ästhetik, jedoch ist
er nicht so archaisch und ursprünglich wie gemeinhin angenommen. Bei der
etymologischen Betrachtung hatten wir festgestellt, dass alle Bedeutungen
des Wortes in gleicher Weise archaisch waren. Personen, die das Symbol im
zweiten hier diskutierten Sinne verstehen, versuchen dieses auf seine
traditionellen Ursprünge zurückzuverfolgen; sie halten Ausschau nach einem
ehrwürdigen Stammbaum, aber sie verkennen die Tatsache, dass die Unterscheidung
zwischen Symbol und Allegorie keineswegs archaisch ist.
Als im Umkreis
der Stoiker die ersten Versuche unternommen wurden, die alten Dichter
allegorisch zu lesen, um unter dem Mantel der Mythen der Evidenz natürlicher
Wahrheiten zu finden, oder als Philo von Alexandrien begann, die Bibel
allegorisch zu lesen, da gab es noch keine klare Unterscheidung zwischen Symbol
und Allegorie. Pepin und Auerbach behaupten, dass die klassische
Welt Symbol und Allegorie als synonyme Ausdrücke verwendete und dass sie
außerdem auf Lernziele codierte Bilder »Symbole« nannte. Bei dieser Art von
Sprachgebrauch – den ich aus heutiger Sicht nicht als Konfusion zu bezeichnen
wage – galten Symbole im Allgemeinen
brigen auch als rhetorische Kunstgriffe (Strategien).
Diese Strategien besaßen eine präzise Bedeutung, die zwar nur undeutlich
umrissen war, aber genau bestimmt werden konnte. Das gleiche wiederholte sich
in der Tradition der Kirchenväter und in der mittelalterlichen Kultur.
Auerbach (1944) gibt zu bedenken, dass Dante
manchmal, statt komplexe Allegorien zu zeichnen, Charaktere wie Beatrice und
St. Bernhard entwirft, die zugleich für reale Personen und für typenhafte
Repräsentanten höherer Wahrheiten stehen. Aber selbst in diesem Fall ist man
Zeuge eines rhetorischen Verfahrens, das die Mitte zwischen Metonymie und
Antonomasie einhält. Da ist nichts, das an die für den romantischen Symbolismus
so typische Vorstellung einer dunklen Eingebung erinnert, die nicht
ausgedrückt, übersetzt oder in Wörtern erläutert werden kann. Dantes Charaktere
können auf die gleiche Weise interpretiert werden wie die Charaktere des Alten
Testaments, die als Figuren des Neuen Testaments intendiert waren. Seit den
Zeiten Augustinus’ wurde dieses Verfahren (das später Typologie heißen sollte) allegoria in factis genannt, im
Gegensatz zu allegoria in verbis. Wir
werden sehen, wie Dante auf seine weltliche Dichtung einfach ein Verfahren
anwendet, das eigentlich für die Heilsgeschichte benutzt wurde.“
[Eco, Umberto: Streit der Interpretationen. Konstanz:
Universitätsverlag, 1987, S. 15-17]
●
„Allegorie und Symbol seit Goethe
»Die Allegorie
verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so,
dass der Begriff im Bilde immer noch begrenzt und vollständig zu halten und zu
haben und an demselben auszusprechen sei.« ‑ »Die Symbolik verwandelt die
Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, dass die Idee im Bild immer
unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen
ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.« (Goethe, Maximen und Reflexionen,
Nr. 1112, 1113. Schriften der Goethe‑Gesellschaft, Bd. 21, S. 230f.) Nach
H. R. Jauß, der wesentlich zu einem literarhistorisch vermittelten Verständnis
der mittelalterlichen Allegorie beigetragen und sie für die Romanistik
wiedererschlossen hat, ist die Unterscheidung zwischen Allegorie und Symbol
lediglich das Resultat einer vorübergehenden Entwicklung der Asthetik seit dem
vorletzten Jahrhundert, nämlich ‑ wie H.‑G. Gadamer genauerhin
zeigte ‑ der Genieästhetik. (H. R. J., Form und Auffassung der Allegorie
in der Tradition der »Psychomachia«, 1960; H.‑G. G., Wahrheit und
Methode, 1960, S. 66 f.) Während seitens der Literaturwissenschaft inzwischen
eine beachtliche neuere Allegorieforschung vorliegt, von W. Benjamin (Ursprung
des deutschen Trauerspiels, 1928) und C. S. Lewis (The Allegory of Love, 1936)
bis zu A. Fletcher (Allegory, 1964), hat die Allegorie in der zeitgenössischen
Sprachphilosophie bisher kaum systematische Beachtung gefunden. (Zur
einschlägigen Forschungsgeschichte innerhalb der Literaturwissenschaft cf. H.
R. Jauß, Entstehung und Strukturwandel der allegorischen Dichtung, 1968,
S. 147 ff.)
[Koppe, Franz: Sprache und Bedürfnis. Zur sprachphilosophischen Grundlage der
Geisteswissenschaften. Stuttgart-Bad Cannstatt: Friedrich Frommann Verlag,
1977, 124 Anm. 1]
●
“Allegorie und Symbol
Seit Goethes
berühmten Definitionsversuchen ist auf eine Unterscheidung von Allegorie und
Symbol viel Wert gelegt worden (und zwar zugunsten einer Hochschätzung des
Symbols auf Kosten der Allegorie). Wir werden später verschiedentlich darauf
zurückkommen. Vorderhand aber wollen wir hier weiter keinen Unterschied machen
und für beides im Allgemeinen das Wort »Allegorie« verwenden. Soweit der
sprachliche Bereich gemeint ist, handelt es sich ja offenbar in jedem Fall
wiederum um ein Redeverfahren mit übertragenem Sinn. Und eben das besagt das
dem Allegoriebegriff der traditionellen Rhetorik zugrunde liegende Kunstwort allegorein: »anders reden«, nämlich anders, als eigentlich gemeint.
Entsprechend lautet auch Quintilians klassische Bestimmung der Allegorie: aliud
verbis, aliud sensu ostendit (Institutio oratoria (95 n. Chr.), VIII, vi, 44 u.
ff.). Und diese durchaus etymologiegerechte Grundbestimmung bleibt auch
zutreffend, wenn dafür später ‑ insbesondere seit dem deutschen
Idealismus ‑ statt und neben »Allegorie« das nicht zum klassischen Kanon
der Rhetorik gehörende Wort »Symbol« verwendet und weitgehend bevorzugt wurde.
Aber auch
abgesehen von etymologischer Angemessenheit und vom gewichtigeren Alter
terminologischer Tradition hat das Wort »Allegorie« vor allem den Vorzug,
weniger mehrdeutig zu sein als »Symbol«, dessen Bedeutungsspektrum sich ja von
der schlichten Verwendung für »Zeichen (jeglicher Art)« bis zu vielerlei
dunklen und recht mystifizierenden Gebrauchsweisen erstreckt, wofür Goethes
Definitionen gewiss Anlaß genug bieten. Deshalb lässtsich ‑ wenn man sich
terminologisch für eines von beiden entscheiden will ‑ mit gutem Grund
der Vorschlag vertreten, »Symbol« im rhetorisch literarischen Sinn fortan
(wieder) durch »Allegorie« zu ersetzen. Und anstatt uns schon hier mit
weitergehenden Differenzierungsfragen (etwa entsprechend der Goetheschen
Unterscheidungsintention) zu befassen, wollen wir uns zunächst der
elementareren und im systematischen Aufbau fürs erste vordringlichen
Unterscheidung von Metapher und Allegorie (in diesem umfassenden Sinn)
zuwenden.
Diese
Unterscheidung ist im Übrigen nicht so selbstverständlich, wie ihre
Vernachlässigung in der traditionellen Allegorie bzw. Symboldiskussion glauben
machen kann. Wenn in einem Text zum Beispiel von einer Taube so die Rede ist,
dass es dabei um Friedlichkeit oder Frieden in Bezug auf Menschen geht, also um
eine Übertragung auf Grund eines offenkundigen oder konventionellen Vergleichs
(hier mit der notorischen Friedlichkeit dieser Tiere) dann kann es sich ja doch
um beides handeln: um metaphorische oder aber um allegorische Rede. Um
metaphorische Rede, weil ja die Metapher gerade so bestimmt ist, dass ihr ein
vergleichsvermittelter übertragener Sinn eignet; um allegorische Rede kann es
sich aber doch ebenso gut handeln, denn jedermann weiß, dass die Taube als
Symbol (wie man in diesem Fall gewöhnlich sagt) des Friedens gilt, und in
dieser allegorischen Verwendung hat das Wort »Taube« ja wohl denselben kraft
Vergleichskonvention übertragenen Sinn wie die entsprechende Metapher. Wo liegt
dann aber der Unterschied zwischen Metapher und Allegorie?
Bleiben wir bei
dem einfachen Beispiel. Wenn von jemandem gesagt wird, er oder sie sei eine Taube,
dann ist das eine Metapher, die normalerweise zu verstehen gibt, dass es sich
um einen friedlichen Menschen handelt und dies an ihm besonders beachtet oder
geschätzt wird. Wenn dagegen in einer Erzählung eine Taube vorkommt, die sich
in einer bestimmten Umgebung unter bestimmten Umständen etwa auf dem Dach eines
Hauses oder an einem anderen Ort niederlässt und womöglich wiederholt in dieser
oder ähnlicher Weise in Erscheinung tritt, dann kann das Erscheinen der Taube ‑
zumal wenn es aus der Ökonomie der Fabel herausfällt ‑ eine Allegorie
sein, die besagen mag, dass in dem betreffenden Haus oder der Gegend oder
sonst wie im erzählten Kontext Friede herrscht oder einkehrt. Vergleicht man
dieses oder ähnliche Beispielpaare für die Metapher einerseits, für die
Allegorie andererseits, so ist zumindest ein erster, elementarer Unterschied
leicht auszumachen. Grob gesagt, lässter sich vorerst etwa so fassen: Die Metapher,
die wörtlich genommen ja gar nicht in den Kontext »passt«, zwingt dazu, wenn
überhaupt, dann in ihrer übertragenen Bedeutung und nur in ihr sinnvoll
verstanden zu werden. Allegorien dagegen lassen sich zunächst einmal
durchaus auch in ihrer »buchstäblichen« Bedeutung (in der Tradition: sensus
litteralis) sinnvoll in ihrem Kontext verstehen und haben darüber hinaus noch
eine zweite, übertragene Bedeutung (sensus allegoricus), zu deren Verständnis
ebenso wie bei der Metapher ggf. die Kenntnis der entsprechenden
Vergleichskonvention erforderlich ist. Während also die Metapher
insofern eindeutig ist, als ihre Bedeutung nicht auf der buchstäblichen,
sondern auf der übertragenen Verstehensebene liegt, ist die Allegorie in
dem Sinne zweideutig, als ihre Bedeutung auf der buchstäblichen und der übertragenen Verstehensebene
liegt. In der allegorischen Rede ist nun zwar der buchstäbliche Sinn, wie
gesagt, in den Kontext konsistent integrierbar, und überdies in der Regel so,
dass man von dem übertragenen Sinn sogar ganz absehen könnte, ohne den Text zu
zerstören, weil er auch dann als ein sinnvolles Ganzes verstehbar bleibt.
Gleichwohl gewinnt ein allegorischer Text seine volle Bedeutung erst im
Mitverstehen des übertragenen Sinns, ja letztlich ist er es, auf den es
ausschlaggebend ankommt. Die buchstäbliche Bedeutung ist sozusagen nur
vordergründig im Vergleich zum allegorischen »Hintersinn«, auf den sie
verweist.
Mit anderen
Worten und genauer gesagt, ist metaphorische Rede zwar eine
Verschränkung von kontextgerechten und kontextfremden, von buchstäblich und
übertragen zu verstehenden Wörtern, und in dieser Verschränkung der
Bedeutungsebenen auf ein und derselben Verstehensebene liegt das Moment
sprachlicher Verfremdung. Aber metaphorische Rede ist gleichwohl nicht wie die Allegorie
doppeldeutig; denn die »Spannung« durch heterogene Bedeutungselemente kann eben
nicht durch Ausweichen auf verschiedene Verstehensebenen im Sinne von
getrennten Verstehensprozessen aufgehoben, sondern muss auf der Ebene nur eines
Verstehensprozesses ausgetragen werden.”
[Koppe, Franz: Sprache und Bedürfnis. Zur sprachphilosophischen Grundlage der
Geisteswissenschaften. Stuttgart-Bad Cannstatt: Friedrich Frommann Verlag,
1977, 124-126]
●
„Alegoría (gr. allegoría, lit. ‘decir de otra manera’) Figura retórica basada en
una inicial transmisión metafórica de a
(cosa significada) a b (símbolo
alegórico); el objeto b, una vez
transformado, adquiere un espacio autónomo, pero todas las acciones y
características de b podrán ser
leídas referidas también a a.“
[Cardona, G. R., p. 10]
●
„Alegoría
«Se trata
–ilustra Dámaso Alonso– de imágenes en que un complejo de plano real (a, b, c, ...) se compara con un complejo
de plano imaginario (a’, b’, c’,
...) mediante la igualación término a término de los elementos respectivos (a = a’, b = b’, c = c’, ...). Es el
procedimiento que prolongado a lo largo de un poema (y con omisión de los
términos de la realidad, que quedan tácitos) llega a ser lo que la poesía
occidental conoce con el nombre de alegoría. Así, compara Góngora el río
Pisuerga a una cítara (Pisuerga = cítara;
guijas = trastes; fluir del agua = cuerdas de plata; álamos = clavijas; puerta
de Simancas = puente del instrumento):
Sobre traste de guijas,
cuerdas mueve de plata
Pisuerga, hecho cítara doliente,
y en robustas clavijas
de álamos las ata,
hasta Simancas que le da su puente ...».”
[Abad, Francisco: Diccionario de lingüística de la escuela española. Madrid: Gredos, 1986, p. 48]
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