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FUNKTIONALE GRAMMATIK

Gramática funcional

(comp.) Justo Fernández López

Diccionario de lingüística español y alemán

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horizontal rule

Vgl.:

Organon-Modell / Thema-Rhema-Gliederung / Prager Schule / Pragmatik / Kasusgrammatik / Relationale Grammatik / Kasusgrammatik / Kognitive Linguistik / Relationale Grammatik (RG) vs Funktional-Typologische Grammatik (FG)

Funktionale Grammatik

In dt. Sprachdidaktik nach 1950 vorherrschende Sprachbetrachtung (in DDR vor allem W. Schmidt), die grammatische Formen nicht bloß formal („formalistisch“), sondern unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Funktion (semantisch-inhaltlich und strukturell-syntaktische), ihrer kommunikativen Leistung im Satz und in der Rede erforscht und darstellt (Formen = Funktionsträger, Auslöser best. Kommunikationseffekte wie z.B. „Befehl“ durch die Formen Imperativ, Inf., Part. II, Konjunktiv, Fut.); Sprachunterricht, der nicht nur Sprachwissen, sondern Sprachverstehen vermitteln soll (bewusste Durchdringung und Anwendung muttersprachl. Ausdrucksmöglichkeiten, Einsicht in die Leistungsfähigkeit der Formen, die das sprachl. System zur Verfügung stellt, im Unterschied zum bloßen Drill von Patterns); Ziel: Sicherheit im Erkennen und Anwenden sprachl. Formen je nach ihrer Leistung.“ [Ulrich, W., S. 39-40]

Funktionale Grammatik

In der heutigen grammatiktheoretischen Diskussion zeichnen sich 2 grundsätzliche Positionen ab: eine «funktionale» und eine «kategoriale». In der «funktionalen» sind Funktionen wie SUBJEKT, OBJEKT, PRÄDIKAT, RHEMA (¹ THEMA), also Satzglieder (Satzrelationen) bzw. Diskurs- oder Textrelationen primitive, nicht mehr weiter zerlegbare Begriffe, dies vor allem weil sie bei der grammatischen Beschreibung unverzichtbar sind, allen natürlichen Sprachen eignen und wohl in einzelnen Sprachen oft weiter durch primitivere Kategorien bestimmbar sind, wo jedoch für eine allgemeine typologische Definition jeder dieser Funktionen nie eine geschlossene, unveränderliche Liste von primitiveren Kategorien ausreicht. Diesen Standpunkt vertreten sprachtypologisch besonders radikal die RELATIONAL GRAMMAR (Perlmutter, Postal, Johnson u.a.) sowie stärker lernpsychologisch argumentierend die LEXICAL FUNCTIONAL GRAMMAR (Bresnan u. a.). Wo Diskurs- oder Textfunktionen (THEMA, RHEMA) eingebracht werden (wie bei Givón, Van Valin, Dik u.v.a.), argumentiert man, dass die Satzbeschreibung nicht von Aspekten der Textbedeutung zu lösen ist; in der europäischen FUNKTIONALEN SATZPERSPEKTIVE ergab sich angesichts weitgehend freierer Wortstellungen (im Deutschen, in den slawischen Sprachen) das Bedürfnis textorientierte Ordnungsfunktionen (wie THEMA, RHEMA, PHEMA) in die Grammatik einzubringen. All diesen Theorien ist weiter der Standpunkt gemeinsam, dass eine funktionale Beschreibung auch erklärende Kraft hat, dies synchron wie diachron.

Die andere, «kategoriale» Position, radikal vertreten durch die generative Schule um Chomsky sowie die GENERALIZED PHRASE STRUCTURE GRAMMAR (Gazdar u.a.), betrachtet Funktionen wie SUBJEKT, RHEMA als Nichtprimitive, die durch Kategorien (Wortarten), deren Stellungsdistributionen und morphologische Charakteristiken (Rektionskasus, Verbmorphologie) bestimmbar sind. Gerade wegen der verschiedenartigen Bestimmbarkeit dieser Funktionen in den Einzelsprachen seien diese Begriffe flüchtig, unscharf und zu Beschreibungszwecken direkt ungeeignet. Universaltypologisch sei vielmehr interessant, aus welchen Kategorien, mit welchen Regelmechanismen und bei welchen Interaktionen der einzelnen Beschreibungsebenen (Phonologie, Syntax, Morphologie, Semantik, Pragmatik) die Funktionen in den Einzelsprachen determiniert würden.

Konkret drückt eine funktionale Grammatik z.B. einen Prozess wie Passivierung aus als Übernahme der Subjektfunktion durch das direkte Objekt des entsprechenden Aktivsatzes bzw. als Wechsel einer rhematischen Funktion (DO) in die thematische (SUBJ). Eine kategorial argumentierende Grammatik wie die generative Syntax versucht diesen Prozess ausschließlich an kategorialen Zeichen abzulesen (siehe unter «Absorption»).” [Abraham, W., S. 222-223]

Funktionale Grammatik

Während die traditionelle Grammatik die Form in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellte, geht die funktionelle Grammatik ganz von der Funktion aus. Formen werden als Realisierung von Funktionen verstanden (Funktionsträger). Die f. Gr. darf nicht mit der inhaltsbezogenen gleichgesetzt werden. Sie ist eher ‘sachbezogen’, da sie den extralinguistischen Bezug herstellt. Entscheidend ist ihre Erkenntnis, dass zwischen Formen und Funktionen sprachlicher Einheiten keine Äquivalenz besteht. W. Schmidt sieht das Verhältnis Form-Funktion so:

(1) Nicht jede Funktion besitzt nur einen ihr eindeutig zugeordneten Funktionsträger, sondern bestimmte Leistungen können durch unterschiedliche Mittel erzielt werden.

(2)  Nicht jede Form kann nur bestimmte Funktionen auslösen, sondern auch verschiedene Leistungen hervorbringen.

Beispiele:

Ein Befehl kann nicht nur durch die Form des Imperativs, sondern auch durch andere Formen wie Infinitiv (Kommen!) oder das Futur (Er wird es tun!) u. a. ausgedrückt werden. Das Präsens drückt nicht nur die Gegenwart aus, sondern steht auch für allgemeine, zeitlose Wahrheiten.“ [Heupel, C., 73]

Funktionale Grammatik:

(1) Im weiteren Sinn: Sprachtheoretische Ansätze, die bei der Beschreibung und Erklärung sprachlicher Phänomene von deren verschiedenen Funktionen ausgehen. Folgende Funktionen werden untersucht: Topik vs. Prädikation, Thema vs. Rhema, die Definitheit oder Belebtheit einer Nominalphrase, die semantischen Rollen oder die Syntaktischen Funktionen der beteiligten Ausdrücke. Semantische Rollen sind zentrale Beschreibungsmittel in der Kasusgrammatik. Auf Syntaktische Funktionen gründet sich die Lexikalische Funktionale Grammatik und die Relationale Grammatik.

       Die Grundannahme der F. G. ist, dass sprachliche Phänomene nicht ohne Rückgriff auf ihre Funktion erklärt werden können. Damit bietet die F. G. eine Alternative zu (post)strukturalistischen Ansätzen, die sprachliche Phänomene formal (z. B. autonom in der Syntax) zu erfassen versuchen. Diese unterschiedlichen Auffassungen werden bei der Beschreibung der Verbkongruenz deutlich. In einem nichtfuktionalen Ansatz versucht man, dieses Phänomen auf der Formebene mittels morpho-syntaktischer Kasus zu beschreiben. So kongruiert z. B. das Finitum mit dem Nominativ-Komplement des Prädikats. Diese Beschreibung ist für das Dt. oder Engl. passend. In einem f. Ansatz untersucht man z. B. den Einfluss der semantischen Rolle, der Belebtheit oder Definitheit einer Nominalphrase auf die Verbkongruenz. Dieser Beschreibungsweg ist z. B. für die Objekt-Verb-Kongruenz im Swahili geeigneter. In dieser Sprache gibt es neben der Subjekt-Verb-Kongruenz auch eine verbale Kongruenz mit dem Objekt in Abhängigkeit davon, ob das Objekt ein menschliches Wesen bezeichnet oder definit ist. F. Beschreibungen werden in der empirisch orientierten Universalienforschung bevorzugt, da die formalen (z. B. morphologischen und topologischen) Mittel zur Kennzeichnung syntaktischer Phänomene von Sprache zu Sprache variieren, deren Funktionen jedoch universell sind.

(2)  Im engeren Sinn: Unter dem Einfluss von V. Admoni und G. F. Meier erarbeitete Grammatikkonzeption, die das Verhältnis zwischen Form und Funktion untersucht, wobei Funktion verstanden wird als außersprachliche Wirkung, die durch eine sprachliche Äußerung hervorgerufen wird.“ [Bußmann, S. 257-258]

Dependenzgrammatik

[Auch: Kasustheorie, Funktionale Grammatik]

Sammelbegriff für universelle Sprachtheorien, die »Tiefenkasus« (auch: Semantische / Thematische Relationen / Rollen) als zentrale Beschreibungsmittel sowohl für die Bedeutung als auch für die syntaktische Struktur der Sätze einsetzen. Tiefenkasus benennen die semantischen Rollen, die verschiedene »Mitspieler« in der durch das Verb bezeichneten Situation übernehmen. Ihre Zahl und inhaltliche Bestimmung sind in der K. ein ständig neu aufgegriffenes und kontroverses Thema.

Bezüglich der Rollenkonzeption lassen sich jedoch zwei Richtungen unterscheiden:

(a)  Die K. von Ch. J. Fillmore (1968, 1977), die u. a. von S. C. Dik (1978, 1980) als Funktionale Grammatik und S. Starosta (1978) als »Lexicase Model« modifiziert und weiterentwickelt wurde.

(b)  Die sog. »lokalistische Hypothese«.“ [Bußmann, S. 368-369]

Ebenen der Satzanalyse

Für die syntaktische Analyse werden Elemente einer fortentwickelten traditionellen Grammatik verwendet, die von verschiedenen Autoren auch als Funktionale Grammatik bezeichnet wird. Gegen die formale Syntax der Generativen Grammatik geht die Funktionale Grammatik davon aus, dass die Struktur von Sätzen nur unter Einbeziehung der kognitiven und kommunikativen Dimension der Sprache adäquat beschrieben werden kann. Zentral ist für die Funktionale Grammatik daher die Annahme verschiedener, im geäußerten Satz miteinander verschmolzener Strukturebenen, die etwa folgendermaßen skizziert werden könnten:

 

 

Die Skizze integriert Begriffe aus unterschiedlichen Ansätzen. In der Haupteinteilung nach syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen folgt sie Givón (1990) und Dik (1993). ‘Semantisch’ bezieht sich dabei auf die im Prädikat angelegte Sachverhaltsstruktur (auf die Kasusrollen), ‘pragmatisch’ auf die vom Sprecher vorgenommene Perspektivierung der Argumente im Diskurskontinuum (Informationsstruktur). Die Anordnung der drei Funktionsebenen, die von der syntaktischen Analyseebene ausgeht, entspricht über Dik und Givón hinaus auch der Prager linguistischen Tradition. In der Perspektive der Sprachproduktion wäre dagegen von der Äußerungsintention auszugehen. Die Äußerungsintention führt zur Wahl eines sachverhaltsrepräsentierenden Prädikationsrahmens, dessen Argumentpositionen durch Referenzausdrücke besetzt werden. Diesen Referenzausdrücken werden dann pragmatische und schließlich syntaktische Funktionen zugewiesen.

Im Anschluss an Halliday setzt Koch (1981) als eine vierte funktionale Dimension die Sprechaktbedeutung des Satzes an. Auch die Sprechaktbedeutung (Illokution) kann durch syntaktische Mittel indiziert werden und ist auf keine der anderen Analyseebenen reduzierbar. Allerdings stellt sie eine Funktion des ganzen Satzes dar und ist in argumentbezogene Teilfunktionen gegliedert.

Oesterreicher (1991) und (1996) fasst die so gesehen vier Analyseebenen des Satzes auf als zweigeteilt in die syntaktische Ausdrucksebene und drei semantische Inhaltsebenen, die er bezeichnet als semantisch-sachverhaltsdarstellend, semantisch-kontextuell (informationsstrukturell) und semantisch-pragmatisch (illokutionär, auch expressive Werte). Eine Gliederung nach Ausdrucks- und Inhaltsstrukturen ergibt sich ferner für die syntaktische Analyseebene allein: hier sind von den syntaktischen Funktionen wie Subjekt, Objekt, indirektes Objekt die syntaktischen Ausdrucksmittel zu unterscheiden. Die vom Sprecher eingesetzten morphologischen, positionellen und intonatorischen Bezeichnungsmittel sind das Resultat des Formulierungsprozesses und bilden die Angriffsfläche für das Sprachverstehen des Hörers. Zu diskutieren wäre, ob positionelle und vor allem intonatorische Ausdrucksmittel unabhängig von den syntaktischen auch direkt auf die pragmatischen Funktionen, auf die Informationsstruktur zielen können. In Anlehnung an eine generativische Metapher kann der Bereich der syntaktischen Ausdrucksmittel gefasst werden als syntaktische Oberfläche.

Syntaktische Funktionen:

Der Begriff syntaktische Funktionen impliziert in gewisser Weise, dass den syntaktischen Einheiten wie Subjekt, Objekt eine spezifische kommunikative Funktion zukommt. Dik (1993, 380) spricht in diesem Zusammenhang von Perspektivierung der Sachverhaltsdarstellung und bezeichnet das Subjekt im Sinne eines Ausgangspunkts der Darstellung als ‘primary vantage point’. Eine solche Koppelung der syntaktischen an pragmatische Funktionen ist aber zumindest für das Spanische problematisch. In einem Satz wie Ha salido el sol repräsentiert die postverbale Position des Subjekts die im Prädikat angelegte Basisanordnung der Argumente. In Eso, no lo he hecho María ist die postverbale Position aus pragmatischer Reliefgebung motiviert. Beidermal ist das Subjekt nicht ‘primary vantage point’.

Eine andere Möglichkeit, die syntaktischen Einheiten nicht nur als formale Kategorien zu interpretieren, sondern ihnen kommunikative Funktion zuzuweisen, ergibt sich im Bereich der formalen Logik. Die syntaktischen Funktionen werden hier nicht an die pragmatischen, sondern an die semantischen Funktionen gebunden. Ein Satz wie María le ha enseñado el libro a Pedro ist formallogisch darstellbar als eine dreistellige Relation enseñar (María, el libro, Pedro). Relation bedeutet im Gegensatz zur menge eine hierarchisch geordnete Beziehung von Argumenten. Genau dieser logischen Hierarchisierung der Argumente, lässt sich argumentieren, dienen die syntaktischen Funktionen. Sie entbinden die Argumente nämlich – nach Maßgabe ihrer morphologischen Markiertheit – von einer bloßen Reihenfolgebeziehung. Diese abstrakt-logische Interpretation der syntaktischen Funktionen ist in gewisser Weise bei Tesnière intuitiv vorweggenommen, der Subjekt, Objekt und indirektes Objekt als Erst-, Zweit- und Drittaktant bezeichnet (Tesnière 1988, chap. 51). Selbst wenn die Begriffe Erst-, Zweit-, und Drittaktant ursprünglich an unmarkierten Reihenfolgebeziehungen des Französischen gewonnen wurden, müssen sie doch von dieser linearen Basis abgelöst werden, um für die Beschreibung von markierten Anordnungen oder von Argumentanordnungen anderer Sprachen brauchbar zu sein. Die syntaktischen Funktionen werden so kommunikativ motiviert als Strategie zur Hierarchisierung der Argumente.

Das Subjekt gilt als die privilegierte syntaktische Funktion. Es ist Ursprung der am Verb kopierten Nominalkategorien und bleibt selbst nominal-morphologisch unmarkiert. Dagegen wird im Spanischen das direkte Objekt gelegentlich durch a, das indirekte Objekt prinzipiell durch a indiziert, für Präpositionalobjekte steht ein Teilbereich und für Adverbiale schließlich das gesamte Paradigma der Präpositionen zur Verfügung. Dieser Hierarchie zunehmender morphologischer Markiertheit entspricht eine Hierarchie zunehmender Fakultativität. Daraus ergibt sich umgekehrt für das Subjekt der höchste Grad am Obligatorik.

Semantische Funktionen:

Zur Fundierung und Systematisierung semantischer Kasusfunktionen sind in den siebziger Jahren verschiedene konkurrierende Inventare entwickelt worden. In funktionalistisch orientierte Literatur sind vor allem die Positionen Fillmores eingegangen. So wird allgemein der Terminus ‘Agens’ verwendet. Statt der bei Fillmore postulierten weiteren Hauptkasus objective und dactive wird allerdings häufiger mit deren spezifischeren Subkasus patient, goal sowie recipient, benefactive, experiencer argumentiert. Gelegentlich finden auch Termini der lokalistischen Hypothese Verwendung, etwa theme, source und goal. Die onomasiologische Ausrichtung dieser Entwürfe der generativen Semantik bietet gegenüber der semasiologischen Ausrichtung traditioneller Kasusinterpretation den Vorteil, dass die funktionale Äquivalenz syntaktischer Ausdrucksmittel wie Kasus, Präpositionen und Positionierung überhaupt erst in den Blick bekommt.

Noch Tesnière hatte versucht, den syntaktischen Kategorien semantische Funktionen fest zuzuordnen. Die Zahl möglicher semantischer Interpretationen eines einzigen syntaktischen Kasus erweist eine solche grammatisch etablierte Zuordnung aber als unhaltbar. Verankert man die Zuordnung dagegen auf lexikalischer Ebene, in der Valenz des Verbs, ist der Vielfalt der Kasusbedeutungen Rechnung getragen. Nur ist das Ziel nicht erreicht, den Zusammenhang zwischen syntaktischen und semantischen Funktionen systematisch zu beschreiben. Das Problem der Zuordnung beider Ebenen stellt sich aber aus onomasiologischer Perspektive ganz ähnlich: auch Fillmore hat versucht, die Generierung syntaktischer Kasus aus semantischen Tiefenkasus als regelhafte Transformation zu beschreiben.

Eine Lösung dieses Problems der nicht eindeutigen, aber offenbar auch nicht willkürlichen Zuordnung syntaktischer und semantischer Funktionen ergibt sich zu einem Teil aus prototypischer Interpretation der semantischen Rollen. Werden die semantischen Rollen nämlich als Merkmalsbündel aufgefasst, müssen im Sinn der Prototypentheorie nicht alle, sondern nur einige Merkmale gegeben sein, um eine sprachliche Realisierung einem bestimmten Prototyp zuzurechnen. Darüberhinaus können die Merkmale noch in sich selbst graduiert sein. Givón (1984, 107) nennt für das Agens die fünf graduierten Merkmale ‘humanity’, ‘causation’, ‘volition’, ‘control’, ‘saliency’. Teils implizieren sich diese Merkmale (‘volitional’ impliziert ‘human’), teils sind sie zu weiteren Merkmalen kombinierbar (‘causation’ und ‘animacy’ ergibt ‘initiative’). Schließlich kann nach zentralen und peripheren Merkmalen unterschieden werden. Für die semantische Funktion des Agens wären etwa initiative sowie das in diesem Zusammenhang nicht erwähnte, weil nicht skalierbare responsible als zentrale Merkmale anzusetzen. Eine prototypische Konzeption semantischer Rollen erlaubt, von den konkreten Sachverhaltsbedeutungen zu abstrahieren, ohne diese zu ignorieren.

Zu klären bleibt aber, wie die abstrakten semantischen Rollen zwischen den konkreten Sachverhaltsbedeutungen und den syntaktischen Repräsentationsformen vermitteln. Im Sinn einer Interpretation der syntaktischen Funktionen als Markierung von Argumentpositionen wäre es ausreichend anzunehmen, dass das Verb die beteiligten Handlungsrollen in eine Argumentposition einweist. Nur erfolgt diese lexikalisch determinierte Einweisung offenbar nicht willkürlich: liegt in einem Sachverhalt eine agentivische Beteiligung vor, wird diese agentivische Rolle in der Basisanordnung regelmäßig auf die Subjektfunktion projiziert.

Mit der Hierarchie der syntaktischen Funktionen scheint eine Hierarchie der semantischen Funktionen zu korrespondieren. Givón (1984, 89) gibt für die drei Hauptkasusrollen folgende Hierarchie an: agent > dative > patient. Diese Hierarchie bezeichnet zunächst den abnehmenden Markiertheitsgrad der drei Rollen: das Argument, dem ein Zustand zugesprochen wird (patient of state) oder das eine Zustandsveränderung erfährt (patient of change) ist die merkmalloseste der drei Rollen. Syntaktisch handelt es sich dabei um Subjekte von Intransitiva und Objekte von Transitiva. Dative ist für Givón ein Argument, dem Bewusstseinszustände zugesprochen werden oder das Zustandsänderungen bewusst erfährt. Syntaktisch entsprechen die Subjekte von Verben mentaler Prozesse dem dative sowie den indirekten Objekten, die ein bewusste Ziel, einen Adressaten nennen. Agens ist über den dative hinaus nun nicht nur ein bewusster Prozessbeteiligter, sondern derjenige, der einen Prozess bewusst initiiert, kontrolliert und zu verantworten hat. Die drei Kasusrollen Agens, dative, patient interagieren insofern mit referenzsemantischen Kriterien, als für das Patiens lediglich eine existierende Entität vorausgesetzt ist, für den dative eine bewusste Entität und für das Agens eine intentional handelnde Entität.

Über den unterschiedlichen semantischen Markiertheitsgrad der drei Rollen hinaus gibt die oben genannte Hierarchie aber auch an, in welcher Reihenfolge die entsprechenden Argumente ‘Anrecht’ haben auf die Subjektposition: enthält der Prädikationsrahmen kein Agens, wird eine dativische Handlungsrolle zum Subjekt, ist keine dativische gegeben, das Patiens, dann ein Lokativ, ein Instrumental etc. Diese Gesetzmäßigkeit wird als subject assignment hierarchy bezeichnet.

Die Hierarchie der Subjektzuweisung kann als eine statistische Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die Affinität von semantischen zu syntaktischen Funktionen ist damit aber nur festgestellt und noch nicht begründet. Für eine Begründung dieser Affinität muss davon ausgegangen werden, dass die syntaktischen Funktionen sprachhistorisch einen Ausbau der pragmatischen Funktionen darstellen. Der pragmatische Modus stellt gegenüber dem syntaktischen Modus die archaischere Organisationsform dar. Insofern wäre in einem ersten ‘retrograden’ Schritt die Affinität der syntaktischen Funktionen zu den pragmatischen zu begründen. Hier kommt die oben angedeutete Markiertheitshierarchie auf syntaktischer Ebene zur Geltung: morphologisch unmarkierte Repräsentationsformen dienen eher zur Darstellung neuer Information. In einem zweiten Schritt ist die Affinität dieser pragmatischen zu den semantischen Funktionen zu begründen. Agentivische Handlungsrollen sind nur Referenten zuweisbar, denen gleichzeitig ein vorrangiges kognitives Interesse gilt: menschlichen Individuen. Aufgrund ihrer kognitiven Prominenz sind menschliche Individuen andererseits eher Gegenstand als Teil der Prädikation. Agentivische Argumente tendieren zur Topicfunktion.

Ähnlich wie im Fall der subject assignment hierarchy (semantische > syntaktische Funktionen) kann auch die Affinität zwischen semantischen und pragmatischen Funktionen in einer statistisch begründeten Hierarchie aufgezeigt werden. Contreras (1983, 83) gibt für das Spanische eine Rhematizitätshierarchie an, die aufgrund der Komplementarität von rhematischer und thematischer Funktion in umgekehrter Abfolge auch als Thematizitätshierarchie gelesen werden kann. Contreras nimmt sechs Stufen abnehmender Affinität semantischer Rollen zur Rhemafunktion an:

jerarquía remática

(1)     intrumento, adverbio de modo, adverbios fuertes >

(2)    destinatario >

(3)    complemento locativo, temporal, de procedencia, beneficiario, identificador >

(4)    paciente >

(5)    agente, causa, posesor, sensor >

(6)    adverbios débiles.

           Die Unterscheidung zwischen ‘advebios fuertes’ y ‘adverbios débiles’ ist intuitiv überzeugend, wenn auch, wie der Autor selbst eingesteht, schwer operationalisierbar. Hoy, a veces, al principio, ahora, en Europa, en Pasís seien ‘débiles’ (potentiell thematisch), de inmediato, en medio del río, encima del mostrador ‘fuertes’ (potentiell rhematisch).

Pragmatische Funktionen

Die pragmatischen Funktionen kennzeichnen die Einheiten des Satzes nach ihrem Stellenwert im Diskurskontinuum sowie nach ihrem Stellenwert in der Prädikation. Diese beiden Dimensionen überlagern sich, wenn sie auch nicht immer zur Deckung kommen. Prädizieren heißt Referenten Eigenschaften zuweisen: die Prädikation ist die Grundfunktion von Äußerungen. Die Annahme pragmatischer Funktionen steht in der Tradition der philosophischer Logik, die den Satz definiert als das Urteil über einen Gegenstand. Die komplementären Funktionen von Satzgegenstand und Satzaussage werden in der traditionellen Grammatik identifiziert mit den syntaktischen Funktionen von Subjekt und Prädikat.

In die Definition der pragmatischen Funktionen geht als zweites Kriterium der Stellenwert der referentiellen Einheiten im Diskurskontinuum ein. Unterschiede wird zwischen gegebener und neuer Information. Äußerungen können grundsätzlich aufgefasst werden als der Versuch eines Sprechers, den Hörer in kognitiver oder emotionaler Hinsicht zu beeinflussen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es nahe liegend, bei den mutmaßlichen Wissensbeständen des Hörers anzusetzen, um diese durch die Satzaussage zu transformieren. Der Sprecher wird in der Regel also bekannte Information zum Ausgangspunkt seiner Mitteilung machen und in der Satzaussage neue Information geben – er hat aber grundsätzlich die Freiheit, in spezifischer kommunikativer Absicht auch als unbekannt vorausgesetzte Information zum Ausgangspunkt seiner Äußerung zu machen.

Die Unterscheidung zwischen gegebener und neuer Information überschreitet den Satzrahmen in Richtung auf den Diskurs und ist in diesem Sinn pragmatisch relevant. Der Sprecher kann Information aus dreierlei Gründen als dem Hörer bekannt voraussetzen:

(1)   als Bestandteil gesicherten Wissens,

(2)  als in der Situation gegebene Realitäten,

(3)  als im voraufgehenden Text erwähnte Einheiten.

Dieser gesamte Bereich prinzipiell bekannter Information ist aber dem Hörer nicht gleichmäßig präsent. Bewusstseinsmäßig unmittelbar verfügbar sind dem Hörer nur unmittelbar vorerwähnte Einheiten und situative Realitäten, die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Die Verfügbarkeit von Information bezeichnet Givón als referential accessibility. Die ‘referentielle Zugänglichkeit’ ist zugleich das semantische Korrelat der syntaktischen Kategorie ‘Definitheit’. Aus diesem verfügbaren Bereich wird der Sprecher in der Regel seinen Satzgegenstand oder Topic wählen.

Givón 1984, 399-405 bezeichnet die drei genannten Quellen des potentiellen Themenvorrats (active discourse file) als permanent file, immediate deictic context und specific discourse.

Illokution

Den gerade skizzierten syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen entsprechen in der Terminologie Hallidays in etwa logical function, ideational function und textual function. Über diese drei hinaus postuliert Halliday (1985, 30-37) als viertes eine interpersonal function, die auf die mittels der Äußerung vollzogene Handlung zielt, auf die Illokution. Dik (1993, 374) siedelt die Illokution dagegen als eine Funktion des ganzen Satzes auf derselben Hierarchieebene wie die Prädikation an: Illokution und Prädikation bilden nach Dik zusammen den Satz.

Den Ausgangspunkt der Sprechaktheorie bilden die performativen Verben, die Sprechakte lexikalisch explizieren. Syntaktisch gesehen schaffen die performativen Verben eine Prädikationsstruktur, in der eine Proposition (i) Argument einer Proposition (ii) ist:

Ich sage die, daß(ii) sie kommt(i).

Die Proposition Ich sage dir, daß(ii) ist der Proposition sie kommt(i) nicht nur syntaktisch übergeordnet, sondern auch sachverhaltsdarstellend. Betrachtet man nun die performativen Verben als den Ausnahmenfall der lexikalisch (und syntaktisch) explizierten Illokution, kann man auch den Normalfall der impliziten Illokution interpretieren als zweite Aussage über eine erste Aussage. Damit wäre die Illokution der semantischen Analyseebene der Prädikationsstruktur zuzuweisen.“

[Schmidt-Riese, R.: Reflexive Oberflächen im Spanischen. ‘Se’ in standardfernen Texten des 16. Jahrhunderts. Tübingen: G. Narr, 1998, S. 5-12]

«Funktionale Grammatik

Die Funktionale Grammatik ist ein Forschungsansatz, der sich mit dem Zusammenhang zwischen syntaktischer Struktur und kommunikativen Eigenschaften befasst. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass es syntaktische Strukturen gibt, die nur dann erklärbar sind, wenn sie auf zugrunde liegende kommunikative Prinzipien zurückgeführt werden. Die Auffassung verbindet alle Vertreter der Funktionalen Grammatik. Dabei handelt es sich nicht um eine bestimmte linguistische Schule; vielmehr umfasst dieser Sammelbegriff verschiedene Ansätze, in denen versucht wird, formbezogene Analysen mit funktional-pragmatischen Aspekten zu verbinden. Hierzu zählen die niederländische, von Simon Dik begründete ‚Functional Grammar’, die eben diesen Namen trägt, die ‚Scenes-and-frames-Semantik’ von Charles Fillmore, der amerikanische Funktionalismus und die ‚Prager Schule’, die mit ihren Arbeiten in den 20er Jahren die funktionale Grammatik begründete. [...]

Gemeinsam haben alle funktional ausgerichteten Ansätze, dass versucht wird, die Akzeptabilität syntaktischer Strukturen aus dem Zusammenspiel von syntaktischen und nicht-syntaktischen Faktoren zu erklären. Die Funktionale Grammatik stellt sich gegen die von den generativen Grammatikern vertretenen Autonomiethese, die besagt, dass syntaktische Strukturen nur syntaktisch erklärbar seien.»

[Dürscheid, Christa: Syntax. Grundlagen und Theorien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 32005, § 9.1]

La lingüística funcional se puede caracterizar como la ciencia que se propone dar cuenta de la interacción entre la forma gramatical y la función semántica o pragmática.

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