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PSYCHOANALYSE und SPRACHE Psicoanálisis y lenguaje (comp.) Justo Fernández López Diccionario de lingüística español y alemán
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Vgl.: |
Lacan / Zeichen nach Lacan / Signifikant nach Lacan / Signifikant / Bedeutung / Gehirn / Gehirn und Sprache / Mythos in der psychoanalytischen Theorie / Sinn / Behaviorismus / Skinner / Nachträglichkeit |
„Zur gleichen Zeit, aber vollkommen unabhängig voneinander, wirkten bahnbrechend Freud und De Saussure. Unzählig sind die Weiterentwicklungen dieser Forscher und Entdecker in den von Freud als psychoanalytisch, von De Saussure als linguistisch benannten Bereichen. Vor etwa 20 Jahren gelang es Lacan, zum Teil in Anlehnung an dialektische (Hegel), strukturalistische (Lévi-Strauss) und besonders sprachwissenschaftliche (Jakobson) Betrachtungsweisen, die Lehre von Freud und De Saussure zu verknüpfen. Grundlegend war die Feststellung der weitgehenden Identität zwischen den Begriffen der Verdichtung und Verschiebung (als Primärprozesse in der Traumarbeit) und dem von De Saussure als fundamentale Elemente jeglicher Sprachstruktur herausgestellten Konzepte: Metapher und Metonymie. So ergaben sich Möglichkeiten erneuerter Betrachtungsweise auch auf dem Gebiet der Psychosen, und Lacan hat, vom Freudschen Text ausgehend, dem Fall Schreber eine seiner gehaltsvollsten Studien gewidmet („D’une question préliminaire à tout traitement possible de la psychose“. In: Psychoanalyse 4: 1958, S.1-50).“
[Ebtinger, René: “Interesse sprachwissenschaftlicher Betrachtungsweise im Bereich der Psychose”. In: Hofer, G. / Kisker, K. P. (Hrg.): Die Sprache des Anderen. Gedenkschrift für Theodor Spoerri. Basel, München, Paris, London, u. a.: Karger, 1976, S. 24]
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„Die Kräfte, die wir hinter den Bedürfnisspannungen des Es annehmen, heißen wir Triebe.“
[Freud, Sigmund: Abriss der Psychoanalyse, 1938. G. W., XVII, 70; S. E., XXIII, 148]
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„Über alle diese Beiträge hinaus lässt sich von Freuds Schriften sagen, dass sie einen Reichtum an Gedanken und Beobachtungen zum menschlichen Verhalten bieten, der die besonderen theoretischen Konstrukte, für die er sich einsetzte, auch weiterhin überleben wird. Zu Freuds Lebzeiten und inmitten des Sturms von Auseinandersetzungen um seine psychoanalytischen Behauptungen fasste Havelock Ellis diese zeitunabhängigen Qualitäten der Einsichten Freuds folgendermaßen zusammen: «Aber wenn ... Freud auch manchmal einen sehr dünnen Faden wählt [um seine theoretischen Argumente zusammenzuheften], so versäumt er es doch selten, Perlen daran aufzufädeln, und die haben dann ihren Wert, ob der Faden nur reißt oder nicht» (1910b:523).”
[Sulloway, Frank J.: Freud. Biologe der Seele. Jenseits der psychoanalytischen Legende. Köln-Lövenich: Hohenheim Verlag, 1982, S. 680]
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„Pleßner behandelt die Phänomene des Lachens und des Weinens als nichtkommunikative Äußerungen, die zwar sekundär in Mitteilungen einbezogen werden, eigentlich aber nicht darauf angelegt sind, solche Funktionen zu erfüllen. Sie bezeugen die Existenz einer Grenze des kommunikativen Selbstbewusstseins, die innerhalb des Menschlichen verläuft. Diese ist keineswegs mit der Grenzscheide identisch, die Sprachliches von Nichtsprachlichem trennt, geht sie doch auch durch das Sprachliche hindurch. Die Kommunikationsverschränkung von intentionalem Sinn und möglichem Gebrauch, die noch Wittgensteins Sprachspielanalyse des Subjektiven unangefochten beherrscht, umfasst nicht alles, was sprachlich ist. es gibt nichtintentionale Sprachphänomene. Man darf den Versuch, etwas über sie mitzuteilen, nicht mit ihnen selbst verwechseln. Das gilt auch dann, wenn diese Differenz nur als innere Differenz im Mitgeteilten aufscheint. Daran geht Freud vorbei. Seine Sprachauffassung ist ganz traditionell. Er versteht alles Sprachliche als Ausdruck von Gedanken in Worten, die dazu dienen, sich anderen mitzuteilen. Alles Sprachliche ist daher durch die Referenzsemantik der Erinnerung und ihre Urteilsform, wonach wahrnehmbare Gegenstände prädikativ bestimmt und damit intersubjektiv verfügbar gemacht werden, in Form und Funktion eindeutig festgelegt. Als Sprachwurzeln bezeichnet Freud das Streben nach sexueller Vereinigung und die Arbeitsverbindung der Menschen. Lust und Lebensnot bilden den Rahmen, der erklärbar macht, warum und wie sich gattungsspezifische und individuelle Sprachfähigkeit bei Menschen entwickelt. In Übereinstimmung mit seinem methodischen Solipsismus begreift Freud Worte als intrapsychische Verbindungen von Sinneseindrücken mit Klangfiguren, demnach entstehen Wortvorstellungen aus den Erinnerungsresten von Wahrnehmungen. Durch diese sprachliche Brückenbildung wird der Übergang von Bildern zu Gedanken möglich. Bilder werden sprachlich geordnet und verallgemeinert. Ihre grammatische Ordnung besteht aus logischen Relationen, die somit die Ordnung des Denkens und seiner sprachlichen Mitteilungsform zugleich bilden.
Freud hat seine Sprachtheorie nicht eigenständig entwickelt. Sie ist weitgehend der repräsentationspsychologischen Tradition entnommen. Seine psychoanalytische Sprachpraxis sprengt allerdings diesen theoretischen Rahmen. Auch sie zielt darauf ab, Mitteilungen hervorzulocken: die Mitteilung des Verborgenen und Uneingestandenen. Prinzip der dialogischen Erfahrung ist es, Anderen zu sagen, was man selbst nicht weiß. [...] Der Analytiker deutet nicht nur sprachliches Material. Seine therapeutische Aufklärung entfaltet sich auch in einem sprachlichen Rahmen.“
[Kimmerle, Gerd: Anatomie des Schicksals. Zur Kritik des intentional Unbewussten in Freuds psychoanalytischer Aufklärung des Körpers. Tübingen: edition diskord, 1986, S. 115-116]
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Geschichtlicher Rückblick auf die psychoanalytische Theorie der Wortbedeutung
„Freud war während der kathartischen Periode mit der Theorie der Wortbedeutung beschäftigt. In seiner Studie über die Aphasien (1891) stellt er die Annahme auf, dass das Wort seine Bedeutung durch seine Verbindung (Assoziation) mit der Idee (Begriff) des Gegenstandes erhält, zumindest wenn man sich auf die Substantive beschränkt. Die Sprache des Patienten schreibt Freud folgende Wirkung zu: »Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagierten Vorstellung dadurch auf, dass sie dem eingeklemmten Affekt derselben den Ablauf durch die Rede gestattet, und bringt sie zur assoziativen Korrektur, indem sie dieselbe ins normale Bewusstsein zieht ...« (I, 252). Das Sprechen hat drei Funktionen: Erstens ist es ein Ersatz für Handeln. Mit seiner Hilfe kann ein Affekt abreagiert werden. Zweitens überführt das Sprechen einen unbewussten Inhalt in das Bewusstsein. Drittens dient es dem Gedächtnis und der Vereinheitlichung von intellektuellen und affektiven Funktionen. Der Schwerpunkt liegt auf der Affektentladung.
Schon während der triebtheoretischen Phase (nach 1905) werden prästrukturelle Begriffe eingeführt. Der theoretische Schwerpunkt gleitet auf die Theorie der Deutung über, mit anderen Worten auf die sprachlichen Äußerungen des Analytikers. Das Ziel der Deutung ist es, das Unbewusste bewusst zu machen. Die Frage ist, wie die Deutung, d.h. die Wörter des Analytikers es ermöglichen können, dass unbewusste Erinnerungen, Wünsche, Gefühle usw. bewusst werden? Diese Frage beantwortet Freud mit einer metapsychologischen Annahme über das Bewusstsein und im Besonderen über die Rolle der Sprache bei der Übersetzung unbewusste Inhalte in bewusste. Nach seiner Annahme ist die Beseitigung der Verdrängung und das Bewusstwerden abhängig von den vorbewussten Besetzungen der Wörter.
Freud stellt in dem Aufsatz »Das Unbewusste« (1913) die folgende metapsychologische Theorie auf: Die bewusste Objektvorstellung kann in zwei Bestandteile, die Wortvorstellung und die Dingvorstellung, zerlegt werden. Das System des Unbewussten enthält allein die Dingvorstellungen (Sachvorstellungen). Das System des Vorbewussten entsteht, indem die Dingvorstellung »durch die Verknüpfung mit den ihr entsprechenden Wortvorstellungen überbesetzt wird« (X, 300). Solche Überbesetzungen, können wir vermuten, sind es, welche eine höhere psychische Organisation herbeiführen und die Ablösung des Primärvorganges »durch den im Vbw herrschenden Sekundärvorgang ermöglichen« (X, 300). Das Verdrängte wird dadurch (vor-)bewusst, »indem wir solche vbw Mittelglieder durch die analytische Arbeit herstellen« (XIII, 249). Die analytische Deutung dient als Brücke, welche dem Patienten Worte zur Verfügung stellt.
Während der ich-psychologischen bzw. der strukturtheoretischen Periode (ab 1923) hat sich die theoretische Auffassung über die spezifische Funktion der Sprache und die der Deutung verändert. Freud formulierte ursprünglich, dass das Ziel der Analyse die Aufhebung der Amnesie sei. Solange man nur die Resultate der Verdrängung rückgängig machen wollte, war die Formel richtig. Nachdem man aber begann, auch die Wirkung der übrigen Abwehrmechanismen zu berücksichtigen, wurde offenbar, dass die Deutung auch noch andere Vorgänge in Gang setzen sollte. Solche sind z.B. die Wiederherstellung von Zusammenhängen, die Korrektur von Entstellungen usw., welche die anderen Abwehrmechanismen bewirkt haben. Kurz gesagt, die Deutung soll eine Hilfe für die synthetische und organisierte Funktion des Ichs während der Behandlung werden. Der Ausdruck »zum Bewusstsein bringen« wird durch die umfassendere Formel: »Gewinnen von Einsicht« ersetzt. Man hat z.B. die Erfahrung gemacht, dass Stücke der persönlichen Vergangenheit nicht erinnert, sondern wiederholt, durch Handlungen rekapituliert werden. Diese sind sprachlich nicht ausdrückbar. Die Vergangenheit wird neu erlebt, als ob sie der aktuellen Gegenwart zugehören würde. Den Worten des Analytikers wird hier eine andere Funktion zugeschrieben als das Bewusst machen. Seine Worte, die Deutung, soll durch das Wecken von Einsicht die Gegenbesetzungen neu verteilen. [...] Durch die Einsicht in die Art, wie wir uns wehren, und durch die Einsicht, wogegen wir uns wehren, werden die abgewehrten Wünsche, Phantasien usw. der konfliktfreien Sphäre des Ichs zugänglich gemacht. [...]
Es wird nun deutlich, dass die erklärende Reichweite der von Freud entwickelten Theorie der Wortbedeutung nicht ausreicht, um das Gewinnen von Einsicht theoretisch untermauern zu können. Löwenstein (1956) knüpft an Karl Bühlers Klassifikation der sprachlichen Funktionen an. Bühler unterscheidet drei fundamentale Funktionen der Sprache: 1. Die Appellfunktion, 2. die Ausdrucksfunktion und 3. die Darstellungsfunktion. [...] Löwenstein beschreibt den Anteil der drei sprachlichen Funktionen an dem psychoanalytischen Prozess. In der psychoanalytischen Situation erwarten wir von dem Patienten, dass seine Sprache sich hauptsächlich auf die Ausdrucksfunktion und auf jenen Anteil der Darstellungsfunktion beschränkt, welche sich mit der Beschreibung von äußeren und inneren Ereignissen und Verhältnissen beschäftigt. Unsere Erfahrung lehrt uns aber, dass der Patient bald dazukommt, die Aufforderungsfunktion zu benützen. Dies geschieht dann, wenn seine Interessen beginnen, sich um den Analytiker zu drehen. Die unbewussten Übertragungswünsche werden nicht vermittels der Darstellungs-, sondern vermittels der Appellfunktion kundgetan.”
[Székely, Lajos: “Sinn, Deutung und Selbsterkenntnis in der Psychoanalyse”. In: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts. Zürich: Kindler Verlag, 1977, Band III, S. 1088-1090]
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„Neuerdings hat Rosen (1966) an Freuds Wortbedeutungstheorie Kritik geübt und diese durch ein semantisches Modell ersetzt. Von seinen Argumenten möchte ich zwei hervorheben. Erstens berücksichtigt Theorie, dass Wortbedeutung aus der Verbindung von Ding- und Wortvorstellung hervorgeht, nicht die Entwicklung der sprachlichen Funktionen beim Kinde, z.B. nicht, was doch Freud selber hervorhebt, dass das Sprechen die Tat ersetze.
Wytgotski (1934) zeigt, dass die Entwicklung des Denkens und des Sprechens – zweier autonomer Ich-Funktionen nach analytischer Auffassung – aus getrennten genetischen Wurzeln ihren Ausgang nimmt. In der Entwicklung des Sprechens gibt es eine präintellektuelle Phase, und in der Entwicklung des Denkens gibt es eine präverbale Phase. Irgendwann vereinigen sich diese zwei Entwicklungslinien, und das Denken wird verbal, das Sprechen intellektual (die darstellende Funktion). Die Vereinigung ist aber niemals vollständig. Nichtkognitive Sprachfunktionen leben weiter (z.B. Ausdrucks- und Abfuhrfunktion des Sprechens). Und ein beträchtlicher Anteil der kognitiven Funktionen, namentlich das schöpferische Denken, hat paraverbale Phasen.
Das zweite Argument Rosens ist, dass Freud nicht näher ausgeführt habe, was unter Ding- oder Sachvorstellung zu verstehen sei. Freuds Theorie ersetzt Rosen durch ein referentiales Modell, welches aus den linguistischen und sprachphilosophischen Forschungen der letzten Jahre abgeleitet wird. Aber, so meint Rosen, eigentlich müssen wir mit zwei komplementären Modellen rechnen. Das eine ist das referentiale, das andere das kontextuale Modell.
Das referentiale Modell lässt sich am bequemsten grafisch durch ein Dreieck darstellen [siehe SEMIOTISCHES DREIECK]. [...] Wir dürfen Referent und Referenz nicht miteinander verwechseln. Die beiden sind miteinander nicht identisch. Zwei sprachliche Äußerungen können z.B. einen identischen Referenten und zwei verschiedene Referenzen haben. Die Bezeichnungen »Der Verlierer von Jena« und »Der Verlierer von Waterloo« haben einen identischen Referenten, nämlich Napoleon. Die Referenzen der beiden Sätze sind verschieden. [...] Was Bühler als die Darstellung-, Ausdrucks- und Aufforderungsfunktionen der Sprache bezeichnet hat, ist mit dem denotativen Aspekt des Sinnes (Referent) und dem konnotativen Aspekt des Sinnes (Referenz) auf eine sehr intrikate Weise verknüpft. In der Analyse passiert es oft, dass ein Patient eine Deutung als Gebot (»So sollst du es machen!«) oder als eine Kritik (»So hättest du es nicht tun dürfen!«) auffasst. [...] Der Referent (denotativer Sinn) der analytischen Konfrontationen, Klärungen und Deutungen ist Abkömmling der inneren Wahrnehmungen. Darum gilt die technische Regel, dass der Analytiker nur darüber reden soll, was Bewusstseinsfähig ist, d.h. dass der Referent nahe am Bewusstsein ist.“
[Székely, Lajos: “Sinn, Deutung und Selbsterkenntnis in der Psychoanalyse”. In: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts. Zürich: Kindler Verlag, 1977, Band III, S. 1092-1093]
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„Freud verschob die Krankheitslehre der Aphasie von der Anatomie zur Psychologie. [...] Nachdem er Wernickes Kategorien abgebaut hatte, baute Freud die Unterscheidungen wieder auf, wobei er bei der Sprachpsychologie anfing: »Für die Psychologie ist die Einheit der Sprachfunction das „Wort“, eine complexe Vorstellung, die sich als zusammengesetzt aus akustischen, visuellen und kinästhetischen Elementen erweist.« (Freud, S.: Zur Auffassung der Aphasien. Eine kritische Studie, Leipzig u. Wien, 1891, S. 75). Seine ganze Abhandlung führte zu folgendem Diagramm, welches die Beziehung zwischen der Objektvorstellung und der Wortvorstellung aufrollte:
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In diesem psychologischen Schema der Wortvorstellungen erscheint diese als ein abgeschlossener, die Objektvorstellungen als ein offener Vorstellungskomplex. Die Wort-Vorstellung ist mit der Objekt-Vorstellung allein durch das Klangbild verbunden. Unter den Objekt-Assoziationen spielt die visuelle eine Rolle vergleichbar derjenigen des Klangbildes unter den Wort-Assoziationen.
»Das Wort ist also eine complexe, aus den angeführten Bildern bestehende Vorstellung oder, anders ausgedrückt, dem Wort entspricht ein verwickelter Associationsvorgang, den die aufgeführten Elemente visueller, akustischer und kinästhetischer Herkunft miteinander eingehen.« (Ibid., S. 79)
In Freud Aufzählung ist das Klangbild der zentrale Aspekt des Wortes: die primäre Bedeutung eines Wortes ist jene Bedeutung, mit der es ursprünglich verbunden war, als Worte noch gelernt wurden, indem man sie gesprochen hörte. Auf ähnliche Weise ist der visuelle Aspekt des Objekts der wichtigste unter den Objekt-Assoziationen. Unter Anwendung dieses Modells definierte Freud nun Wernickes Aphasien von neuem. Dessen symmetrische Kategorien der sensorischen und motorischen Aphasie wurden zu den asymmetrischen verbalen und asymbolischen Aphasien:
»1. ... verbale Aphasie, bei welcher bloß die Associationen zwischen den einzelnen Elementen der Wortvorstellung gestört sind; und
2. asymbolische Aphasie, bei welcher die Association von Wort- und Objectvorstellung gestört ist« (Ibid., S. 80)
[...] Wir haben gezeigt, dass der ‚Sprach-Apparat’ eine frühere Version des ‚psychischen Apparates’ aus Kapitel VII der Traumdeutung ist. Nun sehen wir, welchem Sinn nach dies wahr ist: beide ‚Apparate’ sind selbstgenügsame Repräsentanz-Systeme. Das System der Wort-Vorstellung hielt seinen Platz als ein bedeutsames Untersystem in diesem späteren Apparat inne: später wurde es zum System der Sprachreste – im Entwurf, in der Traumdeutung, in Das Ich und das Es, Ein Abriss der Psychoanalyse – um nur jene Texte zu nennen, in denen das System eine wichtige Rolle in Freuds metapsychologischer Argumentation spielt.“
[Forrester, John: „Die Aphasie“. In: Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse. 3. Jg., Heft 5, 1990, S. 45-47]
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Verbalisierung: Bewusstsein und Sprache
„Nach der Analyse des fundamentalen Dualismus im topographischen Modell sind wir auf Freuds explizite Fassung einer Theorie der Verbalisierung eingegangen. Sie findet sich in ›Das Unbewusste‹, einer Schrift, die man als letzte zusammenfassende Darstellung dieses Modells bezeichnen könnte. Aber wir haben gesehen, dass die darin aufgestellte These, Bewusstsein entstehe durch eine Verknüpfung unbewusster Sachvorstellungen mit Wortvorstellungen, an die neurologische Arbeit Zur Auffassung der Aphasien anknüpfte. Hier hatte Freud das Wort als eine komplexe, aus sensorischen und motorischen Elementen zusammengesetzte Vorstellung aufgefasst, die durch Verknüpfung mit einer Objektvorstellung, einer offenen Reihe von Assoziationen, ihre Bedeutung erhalte. Wir haben dann gesehen, dass Freud diese Auffassung des Wortes in der ›Traumdeutung‹ mit der wesentlich im ›Entwurf einer Psychologie‹ entwickelten Konzeption des Bewusstseins als eines Organs zur Auffassung psychischer Qualitäten verband; Worte fungieren in dieser Verknüpfung als Qualitätsreste, die den qualitätslosen Denkvorgängen Wahrnehmbarkeit verleihen. Diese sensualistische Bewusstseinskonzeption wurde durch eine energetische Formulierung modifiziert: Bewusstsein stelle einen Akt der Übersetzung dar, wie sie durch die Verknüpfung einer besetzten Sachvorstellung mit einer Wortvorstellung entstehe. Diese Modifikation ist aber rein formal und der Theorie äußerlich geblieben. Im wesentlichen hat Freud an einer sensualistischen Auffassung der Wortvorstellung festgehalten, indem er den Grund für die Beziehung von Sprache und Bewusstsein in dem akustischen Ursprung der Wortvorstellung vermutete. Bei dem Versuch, die Konzeption von Wort- und Sachvorstellung in das strukturelle Modell miteinzubeziehen, führte ihn diese Auffassung zu einer isolierenden Gegenüberstellung von Hörwahrnehmung und Besetzungsvorgängen; die Bedeutung der Sprache für die Bildung psychischer Struktur wird damit auf die akustische Übermittlung bewusster Vorstellungen beschränkt. Die neuere Ichpsychologie hat versucht, diese Beschränkung zu überwinden, indem sie Verbalisierung als eine zentrale Ichfunktion herausstellte. Doch ist diese Formulierung über den Status einer formalen Deklaration zu wenig hinausgekommen und lässt eine detaillierte metapsychologische Begründung vermissen. Den Versuch einer solchen Begründung haben wir in der Arbeit von Charlotte Balkanyi gesehen. Daran zeigte sich jedoch, dass die Begriffe Wort- und Sachvorstellung der Erkenntnis der Wechselbeziehung von Sprache und psychischer Struktur nicht gerecht zu werden vermögen und zu reinen Floskeln abgesunken sind.
Nach diesem Rückblick auf unsere Untersuchung können wir als Ergebnis festhalten: Die Fixierung auf den einzelnen Sprechakt und den einzelnen Akt der Bewusstwerdung beherrschte die Vorstufe der psychoanalytischen Methode lange Zeit diese selbst in der Dichotomie von Abfuhr und Erledigung. Derselbe elementarisch-isolierende Ansatz kennzeichnet Freuds sprachpsychologische Analysen und seine Konzeption der Verbalisierung als Hinzukommen einer Wortvorstellung zu einer Sachvorstellung. Die psychoanalytische Methode hat die Fixierung auf den einzelnen Akt völlig überwunden. In der Metapsychologie ist der Dualismus des topographischen Modells, der aus dem elementaristischen Ansatz folgt, grundsätzlich korrigiert worden – jedoch nicht in allen Stücken der Theorie in gleicher Maße. Gerade in der Theorie der Verbalisierung ist diese Korrektur, soweit sie überhaupt vollzogen wurde, formal und äußerlich geblieben.”
[Jappe, Gemma: Über Wort und Sprache in der Psychoanalyse. Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1971, S. 93-94]
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Das Unbewusst und die Sprache bei Jacques Lacan
„Zunächst seien die wichtigsten linguistischen Termini genannt, auf die sich Lacan stützt und die bei ihm zum Teil eine zusätzliche Bedeutung erhalten, bzw. in bestimmte Bedeutungszusammenhänge eingebaut werden, die sich nicht ohne weiteres aus der Kenntnis des Cours de linguistique générale von Ferdinand de Saussure ableiten lassen. Beginnen wir mit signifiant (der Signifikat, das Bezeichnende) und signifié (das Signifikat, das Bezeichnete, das Bedeutete). De Saussure benannte mit signifiant das Lautbild des sprachlichen Zeichens, z. B. Baum. Signifié ist die dem Lautbild korrespondierende Vorstellung (1967, Seite 79). Schematisch wird die Beziehung zwischen signifiant und signifié ausgedrückt in dem Saussureschen Algorithmus
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wobei der Trennungsstrich den Zugang zur signification (Bedeutung) verhindert. Lacan verwendet die Trennung der beiden Sprachebenen in den Geltungsbereichen:
1. unterscheidet er auf der Ebene der bewussten Sprache zwischen signifiant und signifié;
2. unterscheidet er zwischen der bewußten Sprache und der unbewussten Sprache.
Auf dieser Ebene ist die Schranke besonders beweglich. Durch die Analyse kann ein Individuum immer mehr Zugang zu den Sprachinhalten seines Unbewussten bekommen. In diesem Sinne legt Lacan übrigens Freuds Postulat »Wo es war, soll ich werden« aus. In seiner Sprache, die sich nur schwer erschließt, klingt das wie folgt: »Da, wo Es gerade eben war, wo Es fast war, zwischen dieser Auflöschung, die noch leuchtet und diesem Werden, das stockt, kann ich zum Sein kommen, indem ich aus meinem Sagen verschwinde« (1966, S. 801).
3. Lacan vollzieht die Trennung zwischen den elementaren signifiants als dem Inhalt des Unbewussten eines Subjekts und dem Imaginären dieses Subjekts. [...] Die beiden Elemente des sprachlichen Zeichens, für das de Saussure die Benennung Symbol ablehnt, weil es sich um eine beliebige Beziehung handle, werden bei Lacan über die Benennung der materiellen Sprachgrundlage hinaus im Zusammenhang mit verbalen und nicht-verbalen symbolischen Strukturen verwendet. Übrigens lässt sich Lacan hinsichtlich der Beliebigkeit der Beziehung bei Symbol und Zeichen nicht festlegen.
Auf dem Kongress in Rom gab Lacan 1953 in einem Diskussionsbeitrag folgende Definition von signifiant und signifié:
»Signifiant ist die Gesamtheit der materiellen Elemente der Sprache, die durch eine Struktur verbunden sind; das signifiant ist die materiella Grundla der Rede: ‚der Buchstabe’ oder die Töne. Es ist weder Signal noch Zeichen der Sache, nicht mehr als das signifié. Das signifié es der allen gemeinsame Sinn einer Erfahrung, von der in einer Rede berichtet wird; es wird sichtbar in der Globalität der aufeinander folgenden signifiants und läßt sich im signifiant des Satzes nirgendwo einordnen« (zit. nach Rifflet-Lemaire, 1970, S. 89).
Lacan will zeigen, und das ist sein origineller Beitrag, dass das signifiant getrennt von seiner Bedeutung und ohne Kenntnis des Subjekts wirken kann. Wird beispielsweise in Gegenwart eines Kindes ein Paarungsakt vollzogen, dessen Bedeutung das Kind infolge seiner biologischen Unreife nicht erfassen kann, so wird dieses Ereignis im Unbewussten des Kindes niedergeschrieben, und zwar in „Buchstaben“, in reinen signifiants, aber ohne die dazugehörige Bedeutung. Wir wissen, dass das gleiche Ereignis, später erlebt, nachträglich – das ist ein Terminus, den Lacan besonders hervorhebt [sie hier: Nachträglichkeit] – seine volle Bedeutung erlangt.
Ein anderes Beispiel für die Wirkung des signifiant ohne Kenntnis des Subjekts und ohne Kenntnis der Bedeutung ist das Symptom. Lacan sagt im Rapport de Rome: »Das Symptom ist das signifiant eines verdrängten signifié, ein im Fleisch niedergeschriebenes Symbol; es partizipiert an der Sprache.«
Das Symptom partizipiert an der Sprache, insofern es die Manifestation der unbewussten Mechanismen der Verdichtung und der Verschiebung darstellt, die Lacan mit den rhetorischen Figuren Metapher und Metonymie vergleicht. Die gleichen Mechanismen liegen auch der Traumarbeit und den anderen Bildungen des Unbewussten zugrunde, die Freud in der Traumdeutung und in der Arbeit Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten beschrieben hat. Man darf es wohl als ein Verdienst von Lacan herausstellen, dass er an die von Freud herausgearbeiteten Beziehungen zwischen den sprachlichen Bildungen und den Bildungen des Unbewussten angeknüpft hat zu einer Zeit, als die Ergebnisse der Sprachwissenschaft noch nicht oder nicht in diesem Umfang, wie das heute der Fall ist, in die psychoanalytischen Fragestellungen einbezogen wurden.
In La chose freudienne spricht Lacan von signifiant und signifié als von Beziehungsnetzen, die sich nicht decken, wobei aber die Struktur des Signifikantennetzes den Fadenlauf des Netzes der signifiés bestimmt. Verglichen mit der synchronischen und diachronischen Sprachwissenschaft bestimmt Lacan das Signifikantennetz als »... die synchronische Struktur des Sprachmaterials, und zwar auf den verschiedenen Ebenen der Sprache, angefangen von den Phonemoppositionen bis zu den zusammengesetzten Wendungen ...« »Das Netzt der signifiés ist die diachronische Gesamtheit der konkret formulierten Reden ...« (1966, S. 414).
Wenn Lacan in der gleichen Arbeit sagt, dass das signifiant allein die theoretische Kohärenz des Ganzen als Ganzes garantiert, so übernimmt er die Beurteilung de Saussures, der die synchronische Betrachtungsweise der diachronischen überordnet. [...] Die signifiants der Rede und die signifiants als Bildungen des Unbewussten sind eingefügt in die Kette einer symbolischen Ordnung, chaîne des signifiants (Signifikantenkette, Kette des Bezeichnenden). [...]
Lacan erläutert die Signifikantenkette an den Vorgängen in Edgar Allen Poes Erzählung Der gestohlene Brief.“
[Moersch, Emma: „Zum Begriff des Unbewussten bei Jacques Lacan“. In: Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen. 28. Jg., 4. Heft, April 1974, S. 329-332]
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„Die Alltagssprache hat spontan alle Aspekte eines Systems, aber damit eine Sprache zum wissenschaftlichen Gegenstand wird, müssen folgende «Hindernisse» überwunden werden:
Die Sprache bilde keine konsistente Klasse;
Eine Sprache ist mit sich selbst nicht identisch;
Eine Sprache ist auch eine Substanz;
Eine Sprache kann aufhören in verschiedenen Ebenen gegliedert zu sein;
Eine Sprache ist nicht homogen.
Diese «Hindernisse» deuten auf die Resistenz von etwas hin, das das Reale der Sprache ausmacht, insofern erst seine Negation die Sprache notwendig als System konstituiert. Dieses zweideutige und unsystematische Reale könnte nicht eindeutig benannt werden, ohne seinen Charakter aufzugeben. Es liegt nah, im Bereich des Witzes einen Namen dafür zu finden, entsteht doch der Witz selbst am Rande der geordneten Sprache. Versteht man Sprache als System – la langue – so nannte Lacan den Zustand der Sprache, die den realen Rest noch enthält und kraft dessen sie der vollständigen Systembildung trotzt, mit einem Namen, der keiner ist: Lalangue (ein Wort).
Lalangue findet ihre Verkörperung in der Muttersprache. Als der Ort der Heterogenität und der Zweideutigkeit ist diese aber auch dafür prädestiniert, zum Projektionsort jeglicher Fantasmen und Utopien, zur inkonsistenten Menge der Orte des Begehrens zu werden, in denen die Wahrheit über das Subjekt spricht. Wir können somit eine Sprache als eine besondere Weise der Produktion von Zweideutigkeit verstehen. Denn eine Sprache als System verleiht Lalangue das Minimum an Permanenz und Konsistenz, das jeder Vertrag verlangt und wofür die Schrift den Träger hergibt. D. h. die Subjekte sind auf den Systemcharakter der Sprache angewiesen, um ein Minimum an Verbindlichkeit im Alltag zu erreichen und gleichzeitig vereiteln sie die vollständige Durchführbarkeit dieses Projekts. Hier zeigt sich der ethische (und politische) Charakter des Verhältnisses der Sprache zu Lalangue.”
[Lipowatz, Thanos: Die Verleugnung des Politischen. Die Ethik des Symbolischen bei Jacques Lacan. Weinheim und Berlin: Quadriga Verlag, 1986, S 32-33]
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„Die ganze Psychoanalyse gründet sich auf eine Theorie des Symbols. Nun ist die Sprache ebenfalls reiner Symbolismus. Die Unterschiede zwischen den beiden Symbolismen illustrieren und resümieren alle diejenigen, die wir nacheinander angeben. Die tief greifenden Analyse, die Freud uns zum Symbolismus des Unbewussten geliefert hat, beleuchten auch die verschiedenen Wege, auf denen der Symbolismus der Sprache sich verwirklicht. Wenn man von der Sprache sagt, sie sei symbolisch, so stellt man lediglich ihre manifeste Eigenschaft fest. Man muss hinzufügen, dass die Sprache sich notwendigerweise in einer Einzelsprache realisiert und dass dann ein Unterschied erscheint, der für den Menschen den sprachlichen Symbolismus definiert, nämlich, dass er erlernt wurde; er ist koextensiv zur Erwerbung der Welt und der Intelligenz durch den Menschen und vereint sich schließlich mit ihnen. Daraus folgt, dass die wichtigsten dieser Symbole und ihre Syntax für ihn von den Dingen und der Erfahrung, die er mit ihnen macht, nicht getrennt sind; er muss ihrer Herr werden in dem Maße, in dem er sie als Realitäten erkennt. Wer diese aktualisierten Symbole in den Begriffen der Sprache erfasst, meint bald, dass die Beziehung dieser Symbole zu den Dingen, die sie zu bemänteln scheinen, sich nur feststellen, nicht aber rechtfertigen lässt. Im Hinblick auf diesen Symbolismus, der sich in unendlich vielen Zeichen realisiert, die zu ebenso zahlreichen und unterschiedlichen formalen Systemen kombiniert werden, wie es Sprachen gibt, bietet der von Freud entdeckte Symbolismus des Unbewussten Merkmale ganz spezifischer und unterschiedlicher Art. Einige von ihnen müssen unterstrichen werden. Zunächst ihre universale Geltung. Nach den über den Traum und über die Neurosen angestellten Untersuchungen scheint es, dass die sie übersetzenden Symbole einen „Wortschatz“ konstituieren, der allen Völkern ohne Berücksichtigung ihrer jeweiligen Sprache gemeinsam ist, natürlich aufgrund der Tatsache, dass sie weder erlernt, noch von denen, die sie produzieren, als solche erkannt werden. Außerdem kann die Beziehung zwischen diesen Symbolen und dem, was sie besagen, durch den Reichtum der Ausdrücke und die Einheit des Inhalts definiert werden, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass der Inhalt verdrängt wurde und sich nur unter dem Mantel der Bilder zu erkennen gibt. Andererseits sind diese vielfältigen Ausdrücke und dieser einzige Inhalt im Gegensatz zum sprachlichen Zeichen dauernd durch eine Beziehung der „Motivation“ miteinander verbunden. Man wird schließlich beobachten, dass die „Syntax“, in der diese unbewussten Symbole miteinander verkettet werden, keiner logischen Forderung genügt, dass sie vielmehr nur eine Dimension kennt – die der Aufeinanderfolge – die, wie Freud gesehen hat, ebenso gut Kausalität bedeutet.
Wir haben es also mit einer so besonderen „Sprache“ zu tun, dass jeder Grund besteht, sie von dem zu unterscheiden, was wir sonst Sprache nennen. Indem man die Unstimmigkeiten unterstreicht, kann man sie besser im Register der sprachlichen Ausdrücke situieren. »Dieser Symbolismus«, sagt Freud, »ist nicht nur dem Traum eigen, man findet ihn in jeder unbewussten Vorstellungswelt, in allen kollektiven Darstellungen, besonders den volkstümlichen: im Folklore, in den Mythen, den Legenden, den Sprichwörtern, den gängigen Wortspielen, er ist in ihnen sogar vollständiger als im Traum«. Die Ebene, auf der das Phänomen liegt, wird damit klar festgestellt. Man könnte sagen, dass diese unbewusste Symbolik in dem Bereich, in dem sie auftritt, sowohl infra- als auch supra-sprachlich ist. Sie ist infra-sprachlich, insofern sie ihre Quelle in einer Region hat, die tiefer ist als die, in der die Erziehung den sprachlichen Mechanismus installiert. Sie benutzt Zeichen, die sich nicht zerlegen lassen und zahlreiche individuelle Varianten besitzen, die selber vermehrt werden können durch den Rekurs auf das gemeinsame Gebiet der Kultur oder auf die persönliche Erfahrung. Sie ist supra-sprachlich aufgrund der Tatsache, dass sie außerordentlich kondensierte Zeichen benutzt, die in der organisierten Sprache eher großen Einheiten des Diskurses entsprechen würden als minimalen Einheiten. Zwischen diesen Zeichen entsteht eine dynamische Beziehung der Absicht, die zurückgeht auf eine konstante Motivation (die ‚Verwirklichung eines verdrängten Wunsches’) und die sonderbarsten Umwege benutzt.
Wir kommen somit auf den „Diskurs“ zurück. Wenn man diesen Vergleich weiterverfolgt, würde man auf den Weg fruchtbarer Vergleiche zwischen der Symbolik des Unbewussten und bestimmter typischer Prozesse der im Diskurs manifestierten Subjektivität gebracht. Auf der Ebene der Sprache kann man genauer sagen: es handelt sich um die stilistischen Verfahren des Diskurses. Denn wir würden eher im Stil als in der Sprache eine Vergleichsmöglichkeit mit den Eigenschaften sehen, die Freud als Signale der Traum-„Sprache“ entdeckt hat. Man ist überrascht von den Analogien, die sich hier auftun. Das Unbewusste verwendet eine wahre „Rhetorik“, die wie der Stil ihre „Figuren“ besitzt, und der alte Katalog der Tropen würde ein geeignetes Inventar für die beiden Register des Ausdrucks liefern. Man findet hier auf beiden Seiten alle vom Tabu hervorgerufenen Substitutionsverfahren: den Euphemismus, die Anspielung, die Antiphrase, die Auslassung, die Litotes. Die Natur des Inhalts lässt alle Varianten der Metapher erscheinen, denn die Symbole des Unbewussten beziehen ihre Bedeutung und ihre Schwierigkeit gleichermaßen aus einer metaphorischen Verwandlung. Sie benutzen auch das, was die alte Rhetorik Metonymie nennt (Behälter für den Inhalt) und die Synekdoche (pars pro toto), und wenn die „Syntax“ der symbolischen Verkettungen ein Stilverfahren vor allen anderen evoziert, dann die Ellipse. Kurz, in dem Maße, in dem man in den dynamischen Strukturen des Stils und in ihren affektiven Komponenten wahrscheinlich zu größerer Klarheit gelangen. Was es an Absichtlichkeit in der Motivation gibt, steuert dunkel die Art und Weise, in der der Erfinder eines Stils die allgemeine Materie gestaltet und sich auf seine Weise von ihr befreit. Denn das, was man unbewusst nennt, ist verantwortlich für die Art, in der das Individuum die eigene Person konstruiert, für das, was es bejaht, und für das, was es ablehnt oder nicht weiß, wobei letzteres das erste motiviert.“
[Benveniste, Emile: „Bemerkungen zur Funktion der Sprache in der Freudschen Entdeckung“ (1956). In: Luzifer-Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse. 3. Jg., Heft 5, 1990, S. 161-162]
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Freud – Saussure - Lacan
„Wenn Lacans originäre Leistung darin bestehen soll, dem Freudschen Begriff des Unbewussten eine Deduktion aus den Funktionsgesetzen von Sprache und Sprechen zu unterlegen, dann bietet es sich im Rahmen einer Überprüfung dieser Hypothese an, Freuds eigene Erörterungen zur Sprache daraufhin zu untersuchen, ob sie überhaupt und, wenn ja, mit wie großem interpretatorischen Aufwand so gelesen werden können, dass die These einer intellektuellen Vorläuferschaft bestätigt werden kann. Zu einer besonders reizvollen Aufgabe wird dieses Unterfangen dann, wenn sich unter den dazu geeigneten Texten einer findet, der innerhalb der psychoanalytischen Diskussion ein absolutes Schattendasein führt, den es, kurz gesagt, wieder zu entdecken gilt. Dies ist der Fall mit Freuds »kritische Studie« (so der Untertitel) »Zur Auffassung der Aphasien« aus dem Jahre 1891; eine Schrift, die als eine »vorpsychoanalytische« weitgehend ignoriert worden ist. Ich werde im 1. Kapitel in einer geduldigen Lektüre dieses Textes zeigen, dass die darin vertretene Konzeption von Sprache und Gedächtnis bereits die Grundzüge dessen formuliert, was in den »Studien zur Hysterie« als Funktionsmechanismus der Symptombildung und ihrer therapeutischen Auflösung beschrieben und im »Entwurf einer Psychologie« von 1895 zu einer ersten These des psychischen Apparates verarbeitet wird.
Diese Lektüre wird ein weiteres überraschendes Resultat erbringen: es gibt in zumindest einigen zentralen Punkten der von Freud vertretenen Theorie der Bedeutung Parallelen zur Stellung und Lösung des Problems in Ferdinand de Saussures »Cours de linguistique générale«, die eine weitgehende Annäherung dieser beiden Autoren trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsfelder erlaubt. Was Konsequenzen in zwei Hinsichten hat: zum einen teilen sie auch dieselben theoretischen Schwächen; es mangelt beiden an einer Theorie der Struktur und der Zeit, die es ermöglicht, sowohl die Konstitution eines Bedeutung durch Abgrenzung zu beschreiben als auch das Bereitstehen derselben in actu zu erklären, ohne nicht doch wieder auf einen präsentisch gedachten Vorrat vorgegebener Bedeutungseinheiten als Modell zurückzugreifen. Zum anderen ist von diesem Resultat die Doxe der Lacan-Interpretation unmittelbar betroffen – die bequeme Genealogie, Lacan habe Methode und Theorie Saussures, des Begründers der strukturalen Sprachwissenschaft, auf das Werk Freuds, des Erfinders des Unbewussten, angewandt und dir Funktionsgesetze des Unbewussten als Funktionsmechanismen von Sprache identifiziert, gerät in den Verdacht, zumindest eine Verkürzung darzustellen. In diesem Buch wird vielmehr die These vertreten, dass Lacan Saussure nichts anders «entnimmt» als eine Reihe Namen, die ihrem »originären« Kontext radikal entkleidet werden. Signifikant heißt bei Lacan etwas ganz anderes als bei Saussure. Lacan behauptet eine Autonomie des Signifikanten, die es bei Saussure schlichtweg nicht gibt; und diese Autonomie des Signifikanten setzt die Grenzmarken eines eigenständigen Feldes, das mit dem der Sprache und der konstituierten Bedeutung, wie es im »Cours« von Saussure abgesteckt wird, nur den Rand gemeinsam hat.
Es ist ein grundsätzliches Anliegen dieses Buches, den bequemen Genealogien und dogmatischen Abbreviaturen einer sich den Anstrengungen des Lesens und des Rekonstruierens enthebenden Manier der Rezeption insbesondere der Werke Lacans entgegenzutreten.”
[Gondek, Hans-Dieter: Angst – Einbildungskraft – Sprache. Ein verbindender Aufriss zwischen Freud – Kant – Lacan. München: Klaus Boer Verlag, 1990, S. 14-16]
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Die Sprache bei Lorenzer und Lacan
„Insistiert Lorenzer in seiner Kennzeichnung der Psychoanalyse als »sprachlicher Kooperation« auf dem hermeneutischen und »szenischen Verstehen«, insofern es gilt, »den unbewussten, sprachlich exkommunizierten ‚bestimmte Interaktionsformen’ des Patienten auf die Spur zu kommen«, im Sinne einer »Einheit des Sprachspiels«, so gehören für Lacan die abgespaltenen subjektiven Vermöglichungen selbst einer symbolischen Ordnung an, insofern das Unbewusste selbst sprachlicher Natur ist. Was für Heidegger die Ontologie das Ordnungsschema, innerhalb dessen seine These »Die Sprache spricht« Glaubwürdigkeit und Überprüfbarkeit erhalten sollte, so ist es für Lacan, der sich mit einem Fuß in diese Tradition stellt, die Psychoanalyse und die Linguistik. Sein Fragehorizont ist derart, wie Lang ausführt: »Wie muss Sprache sein, dass sie als partikulare Artikulation der Lüge gleichwohl einen universalen Wahrheitshorizont mitformuliert?« Lacan: »Das Wort ist nicht Zeichen, sondern Bedeutungsknoten.«“
[Heinrichs, Hans-Jürgen: „Strategien in der Grundlegung der Psychoanalyse. Zu Hermann Langs Studie über Jacques Lacan“. In: Psyche 28. Jahrgang, 8/1974, S. 752-753]
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„Wir sollten die unerhöhte Komplexität von Freuds Begriff des “Zeichens“ im Gedächtnis behalten, welches verglichen mit der Abschließung, die dem Stoizismus des Saussureschen Zeichens auferlegt wurde, alle Masse sprengt. Das Freudsche “Zeichen” ist in Zur Auffassung der Aphasien ausgearbeitet: visuelle, taktile und akustische Bilder sind mit Objekt-Assoziationen verbunden, welche sich grundsätzlich durch eine auditive Verbindung auf das Wort selbst beziehen, das sich aus seinem akustischen und einem kinästhetischen Bild, einen Lese- und einem Schreibbild zusammensetzt. Die Tatsache, dass das Klangbild in diesem Fall privilegiert ist, vermindert nicht die Heterogenität jenes “psychologischen Schemas einer Wortrepräsentation”, die anzueignen wir heute noch, mit der Strenge linguistischer und analytischer Aufmerksamkeit, Schwierigkeiten haben. Und dennoch, die Natur dieser bildlichen Darstellungen bliebt solange unverständlich, als wir sie nicht als immer schon jener Repräsentativität geschuldet erfassen (auf eine mehr oder weniger “primäre” oder “sekundäre” Weise, wie er später sagen würde), die der Sprache und deshalb dem linguistischen Zeichen (Signifikant/Signifikat) eigen ist. Es bleibt nichtsdestoweniger, dass dieses Zeichen – innere Grenze aufgrund derer die Freudschen Ideen der Vorstellung und der Spaltung strukturiert werden (was Lacan mit seiner “Linguisterie” erläutern wird) – Freuds Entdeckungen nicht abschließt. Das Konzept des Unbewussten leitet sich von einem Begriff der Sprache als sowohl heterogene als auch räumliche ab, was sich seit Zur Auffassung der Aphasien abzeichnet, da wo Freud sowohl die physiologischen Grundlagen des Sprechens (“das Territorium der Sprache”, “eine kontinuierliche Hirnregion”, “als Schwellen gesehene Zentren, etc.”), ebenso wie den Akt des Spracherwerbs und der Kommunikation (das Nachwort, die Beziehung zum Anderen) als eine “Topologie” skizziert. S. dazu J. Nassif, Freud, l’inconscient, Galilée, Paris, 1977.”
[Kristeva, Julia: “Innerhalb des Mikrokosmos’ der ‘Sprechkultur’”. In: RISS, 10. Jg., Nr. 32, Nov. 1995, S. 114 Anm. 8]
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Wortvorstellung und Sachvorstellung bei Sigmund Freud
«Das Wort ist also eine complexe, aus den angeführten Bildern bestehende Vorstellung oder, anders ausgedrückt, dem Wort entspricht ein verwickelter Associationsvorgang, den die aufgeführten Elemente visueller, akustischer und kinästhetischer Herkunft miteinander eingehen.
Das Wort erlangt aber seine Bedeutung durch die Verknüpfung mit der ‘Objectvorstellung’, wenigstens wenn wir unsere Betrachtung auf Substantiva beschränken. Die Objectvorstellung selbst ist wiederum ein Associationscomplex aus den verschiedenartigsten visuellen, akustischen, taktilen, kinästhetischen und anderen Vorstellungen. Wir entnehmen der Philosophie, dass die Objectvorstellung außerdem nichts Anderes enthält, dass der Anschein eines “Dinges”, für dessen verschiedene “Eigenschaften” jene Sinneseindrücke sprechen, nur dadurch zu Stande kommt, dass wir bei der Aufzählung der Sinneseindrücke, die wir von einem Gegenstande erhalten haben, noch die Möglichkeit einer großen Reihe neuer Eindrücke in derselben Associationskette hinzu nehmen (J. S. Mill). Die Objectvorstellung erscheint uns also nicht als eine abgeschlossene, kaum als eine abschließbare, während die Wortvorstellung uns als etwas Abgeschlossenes, wenngleich der Erweiterung Fähiges erscheint.
Die Behauptung, die wir auf Grund der Pathologie der Sprachstörungen nun aufstellen müssen, geht dahin, dass die Wortvorstellung mit ihrem sensibeln Ende (vermittels der Klangbilder) an die Objectvorstellung geknüpft ist. Wir gelangen somit dazu, zwei Classen von Sprachstörungen anzunehmen: 1. Eine Aphasie erster Ordnung, verbale Aphasie, bei welcher blos die Associationen zwischen den einzelnen Elementen der Wortvorstellung gestört sind, und 2. eine Aphasie zweiter Ordnung, asymbolische Aphasie, bei welcher die Association von Wort- und Objectvorstellung gestört ist.
Ich verwende die Bezeichnung Asymbolie in anderem Sinne, als seit Finkelnburg gebräuchlich ist, weil mir die Beziehung zwischen Wort und Objectvorstellung eher den Namen einer “symbolischen” zu verdienen scheint, als die zwischen Object und Objectvorstellung. Störungen im Erkennen von Gegenständen, welche Finkelnburg als Asymbolie zusammenfasst, möchte ich vorschlagen “Agnosie” zu nennen. Es wäre nun möglich, dass agnostische Störungen, die nur bei doppelseitigen und ausgebreiteten Rindenläsionen zu Stande kommen können, auch eine Störung der Sprache mit sich ziehen, da alle Anregungen zum spontanen Sprechen aus dem Gebiet der Objectassociationen stammen. Solche Sprachstörungen würde ich Aphasien dritter Ordnung oder agnostische Aphasien heißen. Die Klinik hat uns in der That einige Fälle kennen gelehrt, welche diese Auffassung fordern» (S. Freud: Zur Auffassung der Aphasien. Eine kritische Studie, Leipzig und Wien 1891m S. 79-81 [Hervorhebung im Original]).
Es mag verblüffen, dass Freud es erst an dieser Stelle für notwendig erachtet, die Frage nach der Konstitution von Bedeutung zu stellen. Das hat vor allem damit zu tun, dass Freud sein «psychologisches Schema der Vorstellung» als eine argumentative Etappe zur Neubestimmung der verschiedenen Formen von Aphasie angelegt hat. Die Frage der Bedeutung wird – ganz der klassischen «Wortsemantik» entsprechend – auf die Klasse der Substantiva eingeschränkt, weil bei ihnen die Bedeutung im Bezug auf eine Objektvorstellung (aber nicht ein Objekt!) ausgewiesen werden kann, d.h. frei von der Komplikation syntaktischer Bezüge. Der Text lässt keine Aufklärung darüber zu, ob es sich um eine temporäre, durch die Didaktik der Darstellung motivierte oder um eine allgemein-konzeptionelle Einschränkung handelt. Auf jeden Fall sind die Substantiva für Freud genau die «Punkte», an denen die Sprache in ihrer eigensinnigen Organisation an der Welt der visuellen Gegenstandsvorstellung aufgehängt ist, und zwar vermittels einer ausgezeichneten Brücke, die sich zwischen dem Klangbild (dem sensiblen Ende der Wortvorstellung) und dem visuellen Bild der Objektvorstellung erstreckt.
»Psychologisches Schema der Wortvorstellungen«
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[Quelle: S. Freud: „Das Unbewusste“, in: Studienausgabe, Frankfurt a. M.: Fischer, 1975, Bd. III, S. 172]
Dieses Schema wird durch folgenden Text erläutert:
»Die Wortvorstellung erscheint als ein abgeschlossener Vorstellungscomplex, die Objectvorstellung dagegen als ein offener. Die Wortvorstellung ist nicht von allen ihren Bestandteilen, sondern bloß vom Klangbild her mit der Objectvorstellung verknüpft. Unter den Objectassociationen sind es die visuellen, welche das Object in ähnlicher Weise vertreten, wie das Klangbild das Wort vertritt. Die Verbindungen des Wortklangbildes mit anderen Objectassociationen als den visuellen sind nicht eingezeichnet.« (S. Freud: „Das Unbewusste“, in: Studienausgabe, Frankfurt a. M.: Fischer, 1975, Bd. III, S. 172)
Meines Erachtens darf der Begriff des «Schema» nicht vorschnell auf die Bedeutung des dem Text beigegebenen Diagramms eingeschränkt werden: wie wir zeigen werden, ist das von Freud hier bearbeitete Grundproblem einer Einheit des Wortes aus Wortvorstellung und Objektvorstellung in noch auszuweisenden Hinsichten dem Problem analog, welches Kant mit dem «Schematismus der Verstandesbegriffe» zu lösen versucht hat.”
[Gondek, Hans-Dieter: Angst – Einbildungskraft – Sprache. Ein verbindender Aufriss zwischen Freud – Kant – Lacan. München: Klaus Boer Verlag, 1990, S. 77-79]
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“Freuds Interesse an einzelnen sprachlichen Gebilden fällt zusammen mit der Generalisierung seiner aus der Pathologie gewonnenen Erkenntnisse zu einer allgemeinen Psychologie. Es ist darum kein Zufall, dass außer in der ›Traumdeutung‹, in der ›Psychopathologie des Alltagslebens‹ und in ›Der Wirt und seine Beziehung zum Unbewussten‹ sprachphänomenologische Analysen im Vordergrund stehen.
Beginnen wir mit dem ersten Beispiel aus der ›Psychopathologie des Alltagslebens‹ (Freud, 1901, S. 6-9). Freud erwähnte im Gespräch die Malereien von Orvieto, konnte aber den Namen des Malers nicht nennen; mit quälender Deutlichkeit standen ihm die Bilder vor Augen, und vergeblich versuchte er die sich aufdrängenden, als falsch erkannten Ersatznamen Botticelli und Boltraffio abzuweisen. Erst Tage später, nachdem ihm jemand den Namen Signorelli genannt hatte, gelang ihm die Analyse des Hergangs. Nun erklärte er sich das Vergessen des Namens Signorelli wie folgt:
1. »Der Grund für das Entfallen des Namens Signorelli ist weder in einer Besonderheit dieses Namens selbst noch in einem psychologischen Charakter des Zusammenhanges zu suchen, in welchen derselbe eingefügt war.«
2. »Das Namensvergessen erklärt sich erst, wenn ich mich an das jener Unterhaltung unmittelbar vorhergehende Thema erinnere, und gibt sich als eine Störung des neu auftauchenden Themas durch das vorhergehende zu erkennen«. In demselben Gespräch war kurz davor von der Mentalität der in der Herzegowina und Bosnien lebenden Türken die Rede gewesen. Als Beispiel ihrer Ergebung in den Tod und ihres Vertrauens zum Arzt hatte Freud den Satz zitiert: »Herr, was ist da zu sagen? Ich weiß, wenn er zu retten wäre, hättest du ihn gerettet!«
3. »Ich nehme an, dass der Gedankenreihe von den Sitten der Türken in Bosnien usw. die Fähigkeit, einen nächsten Gedanken zu stören, darum zukam, weil ich ihr meine Aufmerksamkeit entzogen hatte, ehe sie noch zu Ende gebracht war. Ich erinnere mich nämlich, dass ich eine zweite Anekdote erzählen wollte, die nahe bei der ersten in meinem Gedächtnis ruhte.« Diese Anekdote handelte von der Hochschätzung des Sexualgenusses bei den Türken und gipfelte in dem Satz: »Du weißt ja, Herr, wenn das nicht mehr geht, dann hat das Leben keinen Wert.« Daran knüpfte sich die Erinnerung an eine Nachricht, die Freud in Trafoi erhalten hatte. Einer seiner Patienten hatte wegen einer unheilbaren sexuellen Störung seinen Leben ein Ende gemacht. Die Anekdote hatte Freud nicht erzählen wollen; die Erinnerung an den Todesfall kam ihm in diesem Moment überhaupt nicht zu Bewusstsein.
4. »Ich kann das Vergessen des Namens Signorelli nicht mehr als ein zufälliges Ereignis auffassen. Ich muss den Einfluss eines Motivs bei diesem Vorgang anerkennen ... Ich wollte allerdings etwas anderes vergessen als den Namen des Meisters von Orvieto; aber dieses andere brachte es zustande, sich mit dessen Namen in assoziative Verbindung zu setzen, so dass mein Willensakt das Ziel verfehlte und ich das eine wider Willen vergaß, während ich das andere mit Absicht vergessen wollte.« Die Ersatznamen erscheinen als ein Kompromiss zwischen dem, was vergessen, und dem, was erinnert werden soll.
5. »Sehr auffällig ist die Art der Verknüpfung, die sich zwischen dem gesuchten Namen und dem verdrängten Thema ... hergestellt hat ...«
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Es hatte also ein Gestaltzerfall des Wortes stattgefunden: Ein Teil desselben wurde aus seinem Zusammenhang isoliert und geriet in den Bereich eines anderen, zur Zeit unterdrückten Themenkreises. Genauer genommen müsste man es umgekehrt beschreiben: Das Thema von Tod und Sexualität bemächtigt sich des leisesten Anklanges, um erneut zum Bewusstsein vorzustoßen. Da aber das Anathema weiterhin besteht, wird auch dieser Anklang verbannt und fällt der Verdrängung anheim. [...] Freuds Konzentration auf die Silben des Namens (Signorelli) verrät eine inhärente Vorstellung von Wortteilen als Bewusstseinselementen, die durch Zerlegung in Wahrnehmungselemente, nämlich Wortklänge, zerfallen können.”
[Jappe, Gemma: Über Wort und Sprache in der Psychoanalyse. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, 1971, S. 19-21]
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„Der Fall Signorelli
Erst viel später konnte Freud des vergessenen Namens habhaft werden, aber auch dann nur mit Hilfe eines
gebildeten Italieners ... der mich durch die Mitteilung des Namens: Signorelli befreite. Ich konnte dann aus Eigenem den Vornamen des Mannes, Luca, hinzufügen. Die überdeutliche Erinnerung an die Gesichtszüge des Meisters auf seinem Bilde verblasste bald.
Die Situation also ist die: der gesuchte Namen wird vergessen, verdrängt; an seiner Stelle erscheinen die von ihm gemalten Bilder, und zwar mit einer sinnlichen Intensität, die viel stärker als die normalen Erinnerungen Freuds ist. Sogar das Selbstbildnis des Malers erscheint, mit einer besonderen Schärfe. Und schließlich anstelle des vergessenen Namens tauchen die von zwei anderen Malern der italienischen Renaissance auf: Botticelli und der weniger bekannte Boltrafio. Sobald aber der Name Signorelli Freud mitgeteilt wird, verblasst »die überdeutliche Erinnerung an die Gesichtszüge des Meisters auf seinem Bilde«. Darin finden wir das Resultat einer durch die Verdrängung des Namens »Signorelli« bedingten Regression von Wortvorstellung zu Sachvorstellung (das Bild der »Letzten Dinge«) und gleichzeitig den Effekt des Primärvorganges, der Verschiebung und Verdichtung, der die sinnliche Identität des erinnerten Bildes weit über das gewöhnliche Maß steigert. Sobald die Sachvorstellung mit der Wortvorstellung wieder zusammengebracht wird, verringert sich die Intensität des erinnerten Bildes. Aber – und das ist hier entscheidend – das Bild funktioniert nicht so sehr als Abbildung, sondern als bedeutsamer Knotenpunkt von verschiedenen metonymischen Ketten, als Signifikant, wie Freuds Erläuterung deutlich macht. [...]
Freud unterdrückte diese Anekdote nicht nur, weil er sich mit einem Fremden über solche heiklen Sachen nicht zu reden traute, sondern ebenso sehr, weil ihm das Problem des Todes und der Sexualität zu dieser Zeit besonders beschäftigte:
Ich stand damals unter der Nachwirkung einer Nachricht, die ich wenige Woche vorher während eines kurzen Aufenthaltes in Trafoi erhalten hatte. Ein Patient, mit dem ich mir viel Mühe gegeben, hatte wegen einer unheilbaren sexuellen Störung seinem Leben ein Ende gemacht. [...]
Daraus schließt dann Freud, dass das Vergessen nicht nur motiviert gewesen sein, sondern dass das Vergessen selbst lediglich eine Symbolfunktion hätte. [...]
Zunächst aber geht es uns hier um die Bewegung der Signifikation und deren Struktur. Das eigentlich Metaphorische daran, wie Lacan in seinem Seminar über die Bildung des Unbewussten bemerkt, ist das Fehlen des Signifikanten »Signorelli« in der aktualisierten, bewussten Kette und seine Substituierung durch Botticelli und Boltraffio. Hier wird ein Effekt des Sinnes erzeugt; doch der sich als Signifikat niederschlagende Signifikant funktioniert weiterhin als Signifikant, obwohl er in Bezug auf seine Ersatzbildungen Signifikat ist. Seine Funktion als Signifikant ist mehrfach determiniert: einerseits als Übersetzung von »Signor« als »Herr« weist er auf Her-ze-gowina, und Herr (»was ist da zu sagen«, und »Herr, wenn das nicht mehr geht«); andererseits als Maler der drei letzten Dinge, auf das Jüngste Gericht. Andere signifikative Momente könnten hervorgehoben werden, wie etwa das der narzisstischen Beziehung des Malers zu seinem Bild, zu seinem Vorgänger und so weiter. Diese Beziehungen, die weniger auf eine Fixierung des Sinnes hinauslaufen als auf eine Bewegung der Signifikation, können metonymisch genannt werden, obwohl sie nicht in der manifesten Kette vorkommen. Ebenfalls metonymisch sind die Verweisungen von Botticelli und Boltraffio auf Bosnien, von Boltraffio auf Trafoi und von Botticelli auf Signorelli. Die Namen funktionieren als Träger von Signifikanten, auch unabhängig von ihrer eigentlichen Bedeutung. Soviel zu der metonymisch-metaphorischen Bewegung der Signifikanten. Aber die Frage der Verdrängung und ihrer Motivation bleibt noch zu klären.
Und diese Frage impliziert gleichzeitig eine andere: nämlich die nach dem Ort des Subjekts in diesem Vorgang. Wer ist also jenes Ich, von dem Freud schreibt: »Ich wollte also etwas vergessen, ich hatte es verdrängt«? Und wo ist die Bewegung der Signifikation zu lokalisieren? Eine vollständige Antwort, sofern eine überhaupt möglich wäre, würde unseren Rahmen sprengen: ich verweise deswegen auf einen Artikel von Anthony Wilden (dem amerikanischen Übersetzer von Lacans Roma-Vortrag), in dem dieses Problem ausführlich untersucht wird. (A. Wilden, “The Repression of the Signifier”, in: American Imago, Band 23/IV, 1966, 322-366).”
[Weber, Samuel: Rückkehr zu Freud – Jacques Lacans Ent-stellung der Psychoanalyse. Wien: Passagen Verlag, 1990, S. 117-122]
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„In der Aphasie-Schrift hat Freud den Ort des Gedächtnisses mit den Rindenbezirk der Sprache identifiziert. Das ist aber Sprache nicht in der unmittelbaren Funktion des Sprechens selbst, sondern in der einer Latenz oder auch Bereithaltung, in der Verhaltung der Summe des Sagbaren für ein sprechendes Subjekt unabhängig vom je aktuellen Sprechen. Wenn hier von Sprache die Rede ist, so geht es um das, was Kant als ein «im Gemüt bereit liegendes» Vermögen bezeichnet, und was in der heutigen transformationsgrammatisch oder sprechakttheoretisch orientierten Linguistik als Kompetenz firmieren würde. Ein Zeitgenosse Freuds, der Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure, der im selbem Jahr, als Freud seine Aphasie-Schrift veröffentlichte, in Genf mit den Vorlesungen begann, die ihn in der posthumen Veröffentlichung als «Cours de linguistique générale» nachträglich zum Begründer der Strukturalismus werden ließen, hatte diese bei Freud latente, implizite Differenzierung zwischen Sprache als Organisation des Gedächtnisses und Sprache als jeweiligen Bedeutungsakt zur methodisch-paradigmatischen Grundentscheidung für eine rein synchronische systematische Sprachwissenschaft in Abgrenzung zur historisch und diachronisch orientierten Untersuchung des Sprachwandels erhoben. In einer schlichtweg imperialen Geste hatte der «Cours» Saussures der modernen Sprachwissenschaft die methodischen Distinktionen von «langue» und «parole» (Sprache [als System] und Sprechen) und eben von synchronischer und diachronischer Sprachwissenschaft aufgedrückt – als objekt-schaffende Gesichts- bzw. Standpunkte. Und dennoch steht diese «Schrift» unter dem durchgängigen Anspruch nachzuweisen, dass diese quasi-experimentellen, jedenfalls artifiziellen Gebilde nichts anderes sind als umständlich gewonnene Definitionen von «Sachen» («choses»), sogar von «Realitäten, die ihren Sitz im Gehirn haben» (vgl. F. de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin, 21967, S. 32 / S. 18).”
[Gondek, Hans-Dieter: Angst – Einbildungskraft – Sprache. Ein verbindender Aufriss zwischen Freud – Kant – Lacan. München: Klaus Boer Verlag, 1990, S. 319-320]
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„In der Traumdeutung schreibt Freud:
»Die Denkvorgänge sind nämlich an sich qualitätlos ... Um ihnen eine Qualität zu verleihen, werden sie beim Menschen mit den Worterinnerungen assoziiert, deren Qualitätsreste genügen, um die Aufmerksamkeit des Bewusstseins auf sich zu ziehen ...« (1900, S. 622)
Freud hat also ein solches Prinzip der »Qualifizierung« in Worterinnerungen, in Wortvorstellungen, kurz, in der Sprache erkannt – nur: Freud ordnete dieses Prinzip dem System Vorbewusst-Bewusst zu. Für Freud setzt sich die Sprache wesentlich aus Wortvorstellungen zusammen, die ihre jeweiligen Bedeutungen durch Verknüpfung mit »Sachvorstellungen« erhalten – Sachvorstellungen, die bereits über Wahrnehmungen gebildet wurden. Ein solches »assoziationspsychologisches« Sprachkonzept ist heute obsolet. Sprache setzt sich nicht aus Worten zusammen, die im Nachhinein an bereits anderweitig gebildete Vorstellungen geheftet werden, sondern stellt selbst ein primäres Strukturierungsgeschehen, eine systematische Artikulation unserer Welterfahrung dar. Entscheidende Anregungen zu diesem Sprachverständnis kamen von dem eigentlichen Begründer des Strukturalismus, Ferdinand de Saussure. Zum Zusammenhang von Denken und Sprache schreibt er:
»Das Denken für sich allein genommen ist wie eine Nebelwolke, in der nichts notwendigerweise begrenzt ist. Es gibt keine von vornherein feststehenden Vorstellungen. Und nichts ist bestimmt, ehe die Sprache in Erscheinung tritt« (Saussure, 1917, S. 155)
»Denken« wird erst dann möglich, wenn es zum artikulierten Denken wird, wenn die Sprache, »le domaine des articulations«, differenzierend auf den Plan tritt.“
[Lang, Hermann: „Freud – ein Strukturalist?“. In: Psyche 34. Jahrgang, 10/1980, S. 878-879]
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„Die Position Sigmund Freuds
Dennoch führt der cartesianische Dualismus zu einem Zerfallen oder Wiederzerfallen der wissenschaftlichen Tradition der Psychologie. Der materialistische Zweig eliminiert die Seele und beschäftigt sich allein mit dem Körper. Innerhalb der psychiatrisch‑materialistischen Tradition ist wahrscheinlich Philipp Pinel (1745‑1826) durch sein 1800 erschienenes Werk Traité médical et philosophique sur l'aliénation mentale das wichtigste Bindeglied zur Moderne. Innerhalb dieser Tradition wurde Freud ausgebildet, und sein Entwurf der Psychologie aus dem Jahre 1895 ist ein Produkt dieser Denkweise.
Das Haften an dieser Tradition erwies sich jedoch als außergewöhnlich unfruchtbar, jedenfalls auf dem Gebiet, für das sich Freud interessierte. Es ist dann sinnvoll, die so genannten neurotischen Störungen auf Störungen des Körpers zurückzuführen, insbesondere des Zentralnervensystems, wenn man dort eine Schädigung entdecken und wenn man dort eingreifen kann, um eine Korrektur vorzunehmen. Bei den Hysterien konnte man weder das eine noch das andere. Man konnte aber etwas anderes: man konnte mit den Hysterikern reden, und sei es unter Hypnose, und man konnte so ihre Symptome beeinflussen. Eine Konversation mit physiologischen Sachverhalten ist unmöglich, sich mit der Seele zu unterhalten, war aber üblich. Aber was sollte Freud mit der Seele anfangen? Das Dilemma und die Richtung der Lösung werden deutlich in folgenden Bemerkungen:
»...und an dieses Stück klinischer Forschung knüpfte dann sein [Charcots] eigener Schüler P. Janet, knüpften Breuer u. a. an, um eine Theorie der Neurose zu entwerfen, welche sich mit der Auffassung des Mittelalters deckt, nachdem sie den ‘Dämon’ der priesterlichen Phantasie durch eine psychologische Formel ersetzt hat« (1893, S. 34). Und in einem Brief an Wilhelm Fliess (17. 1. 97): »Erinnerst Du Dich, dass ich immer gesagt, die Theorie des Mittelalters und der geistlichen Gerichte von der Besessenheit sei identisch mit unserer Fremdkörpertheorie und Spaltung des Bewusstseins?«
Die dämonologische »Neurosenlehre« steht innerhalb der platonischen Tradition, nur ist es nicht nur ein bestimmter Teil der Seele, der Schwierigkeiten macht, sondern überhaupt die zweite Seele. Der Dämon ist ein Parasit, und psychische Parasiten hausen nach Freud auch im Bewusstsein des Neurotikers (1894, S. 63 f.). Aber was ist die »psychologische Formel«, die den Dämon ersetzt? Es sind Bewusstseinszustände bzw. verschiedene Arten davon, schließlich ist es der psychische Apparat, bzw. die Instanzen desselben. Einer verbindlichen Stellungnahme über deren ontologischen Status entzieht sich Freud und er erweist sich damit als Quasi‑Platoniker, sowie er sich umgekehrt als Quasi‑Materialist erweist. Damit erspart er sich, eine Position zu beziehen, die entweder weltanschaulich unannehmbar gewesen wäre (Seele als immaterielle Substanz) oder die auf nichts anderes als eine leere Phrase hinauslaufen würde (Seele als Zentralnervensystem). Andererseits entsteht so die durchgängige Doppelbödigkeit der Freudschen Konzeption: Er spricht mit der Seele ähnlich wie Platon, Augustinus und Descartes mit der Seele gesprochen haben, aber er spricht über die Seele als wäre sie Gegenstand der Physik, bzw. einer Quasi‑Physik.
Es ist daher kein Wunder, dass die Art und Weise, wie der psychische Apparat auf den Körper einwirkt (und umgekehrt), nicht näher beschrieben wird. Wie gesagt worden ist, drückt Freud dies in einer jahrtausendealten Metaphorik aus, die auch eingesetzt wird, um das Verhältnis der psychischen Instanzen untereinander plausibel zu machen. Das Ich hat die Verfügung über die willkürliche Bewegung, strebt nach Lust, will der Unlust ausweichen (1940a, S. 68), während man normalerweise annehmen würde, dass Sigmund Freud selbst spazieren gehen kann, und zwar lieber in der Sonne als im Platzregen. Aber so einfach ist es nicht, sondern sein Ich steuert ihn auf ebenso wirkungs‑ wie geheimnisvolle Weise durch Wien.
Bei dem dritten großen Problem, der Deutung von seelischen Konflikten, macht Freud nun von mehreren historisch vorgegebenen Möglichkeiten Gebrauch. Die cartesianische Lösung, die Seele gegen den Körper zu setzen, war allerdings für ihn nicht akzeptabel, da die Seele als sich selbst vollkommen durchsichtiges Bewusstsein keine unbewussten Anteile haben kann und die Identifizierung des Unbewussten mit organischen Parallelvorgängen die Einheit des Seelenlebens zerbrochen hätte (1940b, S. 146). Der in der psychoanalytischen Entwicklung zuerst auftauchende Vorschlag, (unbewusste) Erinnerungen für Konflikte verantwortlich zu machen, bedeutet daher eine Übernahme der augustinischen Lösung, wenn auch nur mit Einschränkungen, da die »double conscience«‑Theorie (Breuer/Freud, 1893, S. 91) und später die erste Topik einer Aufspaltung der Psyche schon bedenklich nahe kommen. Die Lehre von den psychischen Instanzen, die Zerlegung der Seele in Es, Ich, Überich führt diese Aufspaltung dann doch durch und zerstört die von Freud selbst behauptete Einheit der Seele. Damit erweist sich Freud, indem er von Augustinus abweicht, als pseudo‑augustinisch, und indem er sich der platonischen Lösung nähert, nochmals als quasi‑platonisch.
Zu guter Letzt führt er zwei nicht weiter reduzierbare Grundtriebe des Menschen ein: den Eros, mit dem Ziel größere Einheiten herzustellen und sie zu erhalten, und den Destruktionstrieb, mit dem Ziel, Zusammenhänge aufzulösen und so die Dinge zu zerstören (1940 a, S. 7 1). Da die Triebe also Ziele haben, verhalten sie sich wie die unterschiedlichen (guten und bösen) Seelensubstanzen des Manichäismus, aber da Freud es so nicht gemeint hat, ist sein Manichäismus, wie zu erwarten, ein Quasi‑Manichäismus.
Die platonische Grundvoraussetzung, dass man nämlich das, was der Mensch tut, nur erklären kann, wenn man weiß, was die Psyche tut, führt zu Widersprüchen, ganz gleich, ob die Psyche als Zentralnervensystem oder ob sie als »Geist in der Maschine« aufgefasst wird. Man kann sich dabei auf den materiellen oder den immateriellen Balken der Waage setzen – sie kippt auf jeden Fall um, auf diese oder jene Seite. Und wenn man keinen anderen Sitzplatz findet, tut man am besten so, als säße man auf beiden Balken gleichzeitig – so wie Freud.
Aber man sitzt nicht gleichzeitig an ganz verschiedenen Orten, auch wenn es so aussieht. Wie gezeigt wurde, lassen sich die vielen komplizierten Verästelungen der Psychoanalyse auf einen Stamm zurückführen, nämlich auf die Annahme, dass menschliches Verhalten bzw. entscheidende Aspekte desselben, einschließlich neurotischen Verhaltens, teleologisch erklärt werden kann, d. h. derart, dass Wünsche, Absichten, Gedanken etc. dabei eine wesentliche Rolle spielen. Teleologische Erklärungen stammen zwar aus der (alltäglichen und wissenschaftlichen) Umgangssprache, aber da sie bei Freud innerhalb der platonischen Tradition formuliert werden, ist es zwangsläufig die Seele, die wünscht, beabsichtigt, denkt; und da die Seele – wie sie im Einzelnen auch konzipiert sein mag – bewegt, indem sie ihre eigenen Bewegungen auf den Menschen überträgt, so sind wünschen, beabsichtigen, wollen, denken Bezeichnungen für seelische Ereignisse, Vorkommnisse, in diesem Fall für seelische Akte oder seelische Handlungen. Diese mögen bewusst sein oder unbewusst, immateriell oder quasi‑physikalisch: die Grundannahme bleibt die gleiche, aber diese Grundannahme ist falsch. Falsch sind nicht teleologische Erklärungen, sondern ihre Deutung als Erklärungen von Verhaltensereignissen durch verursachende seelische Ereignisse.”
[Kraiker, Christoph: Psychoanalyse Behaviorismus Handlungstheorie. Theoriekonflikte in der Psychologie. München: Kindler, 1980, S. 96-100]
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„Die Sprache und das Unbewusste
Die topologische Setzung einer für sich beständigen Ordnung der Signifikanten und der Herausarbeitung der in ihr herrschenden Operationen hat nicht nur Rückwirkungen auf die Sprache und ihre immanente Zeichenstruktur. Lacan überträgt - gewappnet mit einer strukturalen Denkweise - den Begriff der signifikanten Ordnung auf die Psychoanalyse und deren Begriff des Unbewussten. Dies führt schließlich zu einer (formalen) Neu-Konzeption des Freudschen Terminus: das Unbewusste sei strukturiert wie eine Sprache.
Topisch gesehen bezeichnet Freud im Rahmen seiner ersten Theorie des psychischen Apparates das Unbewusste als jenes System, das von verdrängten Inhalten gebildet wird, welchen der Zugang zum Bewusstsein verwehrt ist. Die wesentlichen Merkmale eines solchen Systems sind:
§ Die Inhalte sind Triebrepräsentanzen
§ Die Inhalte werden durch spezielle Mechanismen beherrscht (vor allem Verdichtung und Verschiebung)
§ Die Inhalte versuchen - mit starker Triebenergie besetzt - wieder ins Bewusstsein oder in Aktion zu gelangen
§ Vor allem Kindheitswünsche haben im Unbewussten eine Fixierung erfahren
(Ab 1920 bezeichnet Freud innerhalb einer zweiten Topik mit „unbewusst“ auch Prozesse innerhalb anderer Persönlichkeitsinstanzen (Es, Ich, Über-Ich).)
Lacan bemerkt innerhalb der Operationen des Freudschen Unbewussten eine Struktur, welche jener der Operationen innerhalb des Systems der Signifikanten äquivalent ist. Insbesondere anzusprechen sind hier die Mechanismen der Verschiebung und der Verdichtung.
Beides sind Prozesse innerhalb des so genannten Primärprozesses, in denen die noch ungebundene psychische Energie frei von einer Vorstellung zur anderen fließen kann (Verschiebung) und sich jede Vorstellung am Kreuzungspunkt von mehreren Assoziationsketten befindet (Verdichtung).
Lacan entdeckt nun im Unbewussten - dem sooft angesprochenen „Chaos der Bedürfnisse, Triebe, Affekte und Leidenschaften“ - eine „sprachliche Ordnung“, indem er die unbewussten Operationen Verschiebung und Verdichtung mit den signifikanten Operationen Metonymie und Metapher in Äquivalenz setzt:
Verschiebung sei nichts anderes als die Bedeutungsverlagerung von einem Element auf das andere, mit dem Ziel, die Zensur zu umgehen. Der Sinn liegt nicht in der neuen Repräsentanz (in dem letzten Element der Signifikanten/des Inhalts), sondern - wie bei der Metonymie - in der Gesamtheit des Raumes zwischen den Elementen. (Nach dem letzten Element tut sich strukturell noch ein unendlicher Raum auf, der eine endlose Bedeutungsstiftung ermöglicht.)
Verdichtung entspricht dagegen der Metapher, dem Ersatz von einem Signifikanten durch einen anderen. Sie ist die Verschmelzung von mehreren Elementen, und beim Erscheinen des einen Signifikanten/Inhalts werden (wie bei einer guten „Dichtung“) alle übrigen verdeckten und eingeflochtenen Signifikanten/Inhalte mitangestimmt.
So repräsentieren Verschiebung und Verdichtung / Metonymie und Metapher zwei Achsen innerhalb der Struktur der Signifikantenketten / des Unbewussten:
Verschiebung/Metonymie ist nur innerhalb von Zeitlichkeit möglich
Verdichtung/Metapher sind Operationen am Nullpunkt der Zeitlichkeit
Resümierend ergibt sich also die Formel:
„Das Unbewusste ist wie eine Sprache strukturiert.“ (Lacan Sem. XI, 26)
[Doblhammer, Klaus: Das Sprechen der Sprache. Frühkindlicher Spracherwerb im Lichte der Psychoanalyse Jacques Lacans. © Wien 1998. In: http://www.t0.or.at/~kdobl/diss/lacbel.htm]
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„Freud hat keine Sprachtheorie hinterlassen; er hat aber in seiner Beschreibung der Traumvorgänge, vor allem in der Beschreibung der Mechanismen des im Unbewussten wirkenden primärprozesshaften Geschehens, die Sprache des Unbewussten beschrieben.
Freud betrachtet die Traumarbeit als eine Form der Regression, der Auflösung des differenzierten (bewussten) Denkens ins undifferenzierte (unbewusste) Denken. Die Traumarbeit ist für ihn eine Entstellungsarbeit, die durch die Deutung des Analytikers rückgängig gemacht werden muss: Der Traumarbeit korrespondiert also die Deutungsarbeit.
Die Traumarbeit, die für Freud eine regressive ist, vollzieht sich für ihn in folgenden Mechanismen: in Verdichtung, in Verschiebung/Ersetzung, in Darstellung durch das Gegenteil u.a.m. Die entscheidende Leistung der Traumarbeit sieht Freud in der Umsetzung von Gedanken in visuellen Bildern – was er mit der Regression von der Buchstabenschrift zur Bilderschrift vergleicht. Wenn Freud die Mehrdeutigkeit der Elemente und Bilder, ihre Widerspruchsfülle, ihre Akausalität und Zeitlosigkeit beschreibt und damit – ohne es zu wissen – die Sprache des Unbewussten beschrieben hat, dann hat er das Unbewusste als die Sprache des metaphorierenden Denkens entdeckt. Die Sprache der poetischen Imagination mit ihren paradoxen Mehrdeutigkeiten, Verschiebungen und Ersetzungen wird hier identisch mit der Sprache des Traums. Es ist die dichterische Sprache, die Freud als den regressiven Mechanismus der Traumarbeit gefunden hat. Gerade in der Beschreibung des antithetischen Sinnes von Hauptwörtern erschließt er den Charakter der metaphorierenden Sprache.
Wenn Freud die Sprache des Unbewussten – für sich selbst ungewusst – als die Sprache der mataphorierenden Denkens entdeckt hat, die er in szientistischer Abwertung als Primärprozess beschreibt, dem er den Sekundärprozess mit der formal-logischen Ordnung des Sprechens entgegensetzt, dann hat er als Fundament de von ihm entworfenen Traummythologie die dichterische Sprache, die weisende, dichtende Sprache des Mantikers gefunden. Wenn Lacan sagt: das Unbewusste ist die Sprache, heißt dies: das Unbewusste ist die Sprache des metaphorierenden Denkens, die im Widerspruch steht zur Sprache des rationalen Denkens.
Das Unbewusste wäre demnach ein Bereich des metaphorierenden Denkens, der metaphorierenden Sprache, der von der herrschenden, rationalen Sprache unterdrückt wird. Unbewusstes und Bewusstes würden sich demnach nur darin unterscheiden, dass sie die beiden Diskursformen repräsentieren, die als weisende und beweisende Sprache beschrieben worden sind. Diese Erkenntnis hat sowohl Konsequenzen für die von Freud definierte Topographie des Psychischen wie auch für die darin verwickelte Instanzlehre; vor allem aber für den Bewusstwerdensprozess, der jetzt zu erhellen ist als ein Prozess des Auftauchens der von der herrschenden Sprache in Verdrängung gehaltenen Bildersprache der unbewussten Phantasien, die nicht aus einem »Kessel brodelnder Erregung« stammen: Die unbewussten Bildungen erschließen sich im Bewusstwerdensprozess als hochstrukturierte Gebilde ( = Phantasien) der bewussten Wahrnehmung.
Wenn sich auch Freud der herrschenden Rationalität unterworfen hat, indem er im Sinne der rational-deduktiven Methode Gesetzmäßigkeiten als bestimmende Momente des seelischen Getriebes aufweisen musste, so hat er doch unbewusst den »Mythos« als dichtend-dichterische Sprache wiedergefunden.”
[Pohlen, Manfred: “Psychoanalyse als Mantik”. In: Lohmann, Hans-Martin (Hrg.): Die Psychoanalyse auf der Couch. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 1986, S. 142-143]
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„Die psychoanalytische Interpretation und der »unbewusste Begriff«
[Es gibt einen wenig beachteten Terminus bei Freud] Es ist der des »unbewussten Begriffes«, der in der »Geschichte einer infantilen Neurose«, also in der »Wolfsmann-Darstellung« vorkommt (S. Freud, 1918, Seite 116). Das Original-Zitat lautet: »Der Kot, das Kind, der Penis ergeben also eine Einheit, einen unbewussten Begriff – sit venia verbo –, den des vom Körper abtrennbaren Kleinen.« Freud verwendet hier meines Erachtens das Wort Begriff in einem funktionellen Sinne, der es erlaubt, damit in modernen wissenschaftstheoretischen Termini umzugehen. [...] Wir wollen jetzt nicht einfach die Behauptung aufstellen, dass es sich um Kastrationsphantasien handelt, was jeder Analytiker zu Recht tun würde, sondern uns auf die Frage konzentrieren, was der Ausdruck »Begriff« hier für einen Sinn haben kann.
Wenn ein bisher unbekannter Begriff in eine Sprache oder ein wissenschaftlicher Begriff in eine Wissenschaftssprache eingeführt werden soll, dann geschieht das durch die so genannte Prädikation, d. h. im einfachsten Fall wird an Beispielen erläutert, auf welche Prädikate er verweist. [...] Die einfachste Prädikation ist das Zeigen auf einen Gegenstand. Wenn ich z. B. einem Ausländer den deutschen Begriff Baum erklären will, dann genügt es, dass ich auf eine Linde, eine Kastanie, eine Eiche zeige und jedes Mal das Wort Baum ausspreche. Wahrscheinlich wird er es beim dritten Mal schon begriffen haben, wenn auch der Vorgang der Prädikation genau genommen erst dann beendet ist, wenn der Begriff von beiden Sprechern nur noch gleichsinnig verwendet werden kann.
Wenn wir dieses Modell auf unser Beispiel und Freuds Zitat anwenden, dann zeigt sich, dass wir es mit einer Prädikation gleichsam ohne Begriff zu tun haben. Der Patient zeigt uns die Bäume, hat aber noch keinen »Begriff« dafür. Diesen Begriff muss der Analytiker per Interpretation (im Sinne der synchronischen Interpretationsdimension) erfassen und dem Patienten per Deutung mitteilen. Die Deutung kann aber nicht darin bestehen, dass dem Patienten ein Wort dafür mitgeteilt wird, etwa das Wort Kastrationsangst. Das hätte für den Patienten nicht den geringsten Erklärungswert, weswegen theoretische Begriffe in korrekt durchgeführter Analyse in der Regel nicht vorkommen. Sondern die Deutungsarbeit muss darin bestehen, dem Patienten zu zeigen, dass diese »Prädikationen« auf etwas Gemeinsames hindeuten, wie sie das tun, und was das für Konsequenzen für seine psychische Ökonomie hat. Wir können also sagen: Der psychoanalytische Text enthält »Prädikationen«, und die Interpretation besteht im Begreifen des »unbewussten Begriffs«.
Dies vollzieht sich ausschließlich auf der Ebene der Sprache, und das erlaubt uns, dieselbe Problematik noch einmal von einer anderen Seite her aufzurollen, nämlich unter einem linguistischen Aspekt. Die generative Grammatik fasst den „Begriff“ als „Regel für einen Klassifikationsprozess“ auf. Siegfried J. Schmidt schreibt in seinem Aufsatz „Zur Grammatik sprachlichen und nichtsprachlichen Handelns“ (1968): »... ‚Begriff’ markiert keine Entität, sondern die Art der Verwendung eines Wortes, das – von Eigennamen abgesehen – stets klassenwertig ist bzw. funktioniert. Ein Begriff ist eine Regel zur Durchführung eines Klassifikationsprozesses«.
Dies lässt sich gut mit der Prädikation in Übereinstimmung bringen, ergibt aber eine etwas andere Perspektive. Die übliche Bezeichnung für das, was der Analytiker in einem Text findet, heißt »Inhalt einer Phantasie«. Inhalt und Begriff scheinen aber noch auf etwas Statistisches hinzudeuten, während die Bezeichnung Regel von vornherein etwas Dynamisches ins Spiel bringt. Wenn ich einem Ausländer den Begriff Baum vermittle, so leite ich ihn nach dieser Auffassung dazu an, handeln – nämlich klassifizierend – mit bestimmten Wahrnehmungen umzugehen, wobei der »Begriff« Baum dann, von ihm recht verstanden, die Regel enthält bzw. darstellt, nach der er vorzugehen hat. In unseren Beispielen aus der Psychoanalyse ist es der Analysand, dessen »Rede«, dessen »Text« nach Regeln konstruiert ist, die erst aufzufinden und auf den Begriff zu bringen sind.
Man könnte also sagen, die unbewusste Phantasie bzw. der unbewusste Begriff ist dasjenige, was den Text organisiert. Es ist eine Art Grundmodell, eine Schablone, ein Klischee, wie Lorenzer sagt. Die Klischees aber werden in der zweiten Textebene aus Bestandteilen gebildet, die Freud Urphantasien nennt, und die er an einer anderen Stelle der Wolfsmann-Darstellung (Seite 155) als »phylogenetisch mitgebrachte Schemata« bezeichnet, »die wie ‘philosophische Kategorien’ die Unterbringung der Lebenseindrücke besorgen«. »Philosophische Kategorien« ist offensichtlich kantianisch aufzufassen als »Bedingung der Möglichkeit von«, hier: der Unterbringung von Lebenseindrücken. In Lacans Ausdrucksweise sind es die »Buchstaben« der unbewussten Sprachwelt (vgl. auch S. Leclaire, 1968).
Aber ebenso wie Buchstaben allein noch keinen Text machen, sondern erst die Beziehung der Buchstaben zueinander, werden der »unbewusste Begriff« und »die Regel«, das Schema, das Klischee erst dann vollständig, wenn die Beziehungen der unbewussten Phantasien zueinander im Laufe der Analyse deutlicher werden. [...]
Wenn der Satz wahr ist, zu dem sich Lorenzer und Lacan in gleicher Weise bekennen, dass nämlich »das Unbewusste gleich einer Sprache gebaut« ist (Lorenzer, 1970 b, S. 31), dann besteht der Beweis dieser Behauptung im Aufweisen dessen, was man die Grammatik dieser Sprache nennen könnte. Dieses Aufweisen kann nur dadurch geschehen, dass der Psychoanalytiker die logischen Operationen mitteilt, mit deren Hilfe er den Zusammenhang der bewussten Textebene zerreißt, um die zweite – unbewusste – Textebene zu erreichen.”
[Werthmann, Hans-Volker: „Die zwei Dimensionen der psychoanalytischen Interpretation“. In: PSYCHE, 29. Jg., 2. Helft, Februar 1975, S. 126-128]
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„Aristotelische Konzeption der Seele
Wir können die aristotelische Konzeption [der Seele] zusammenfassend folgendermaßen darstellen: Ein beseelter Körper ist ein Körper, der lebt, das heißt bestimmte Dinge tut, z.B. sich bewegt, sich ernährt, wächst, wahrnimmt usw. Es genügt jedoch, wenn er die Fähigkeit (Disposition) dazu besitzt, d.h. er hört nicht auf, beseelt zu sein, wenn er sie einmal nicht tut, z.B. im Schlaf. So bleibt ein Auge ein Auge, auch wenn es zur Zeit nicht sieht, sofern es nur sehen kann, und ein Beil bleibt ein Beil, auch wenn es nichts spaltet, sofern es nur zum Spalten geeignet ist. So ist die Seele «Verwirklichung wie das Wissen», denn wenn jemand weiß, dass Julius Cäsar ermordet wurde, dann hat er die Möglichkeit des Lernens realisiert, er hört aber nicht auf, es zu wissen, wenn er einmal nicht darüber nachdenkt oder nicht darüber spricht (d.h. von seinem Wissen keinen Gebrauch macht). So wie das Wissen eine Disposition erster Ordnung ist, so ist ein Körper beseelt, wenn es bestimmte Dispositionen erster Ordnung besitzt, wobei sich die verschiedenen beseelten Substanzen (Pflanzen, Tiere, Menschen) in der Art dieser Disposition unterscheiden. So können Pflanzen wachsen und sich ernähren, Tiere können dazu wahrnehmen, einige sich bewegen, Menschen besitzen überdies das Vermögen zur Überlegung und Vernunft (vgl.: De anima, 414 a 29‑414b 19).
Ferner wird an mehreren Stellen die Existenz von Dispositionen höherer Ordnung anerkannt:
«Wer eine Wissenschaft erlernt, weiß um sie potentiell, jedoch in einem anderen Sinne als jemand, der das Wissen schon besitzt, aber nicht ausübt» (Physica, 255ª 33; vgl. auch De anima, 417b 30f.).
Die Realisierung solcher Dispositionen erfordert das Vorhandensein bestimmter Organe, deswegen kann auch kein beliebiger Körper beseelt sein, sondern nur einer, der die entsprechenden Organe besitzt (vgl.: Physica, 141 a 20f., außerdem Ludwig Wittgenstein, «der menschliche Körper ist das beste Bild der menschlichen Seele», in: Philosophische Untersuchungen, 1960, S. 489). dass der Körper so organisiert ist, wie er es ist, bewirkt, dass er die entsprechenden Dispositionen hat und damit als beseelt betrachtet werden kann. Seele ist also nichts im Körper und kann daher auch nicht von ihm abgetrennt werden, Seele ist einfach die Organisationsform des Körpers.”
[Kraiker, Christoph: Psychoanalyse Behaviorismus Handlungstheorie. Theoriekonflikte in der Psychologie. München: Kindler, 1980, S. 132-133]
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“Skinners Auffassung steht im Gegensatz zu verschiedenen Vertretern von «inneren Männern», wobei letztere entweder als frei betrachtet werden, z.B. von Platon, Augustinus, Descartes; oder als selbst determiniert, z.B. von Freud; ebenso steht er im Gegensatz zu denen, die an «innere Maschinen» glauben, z.B. Demokrit, teilweise Descartes und Pawlow.
Meines Erachtens ist Skinner der erste, der ein bestimmtes Paradigma tatsächlich realisiert hat, welches sich letzten Endes auf Aristoteles zurückführen lässt.”
[Kraiker, Christoph: Psychoanalyse Behaviorismus Handlungstheorie. Theoriekonflikte in der Psychologie. München: Kindler, 1980, S. 124]
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Die Sprache nach Jacques Lacan
„Der Gedanke, dass noch vor der Sprache eine anfängliche Subjektivität vorhanden sei, schließt den Gedanken eines unerkennbaren Zustands des unvermittelten Einsseins mit der Welt ein, von dem die Sprache uns für immer trenne. Wie Stern sagt, gewinnt der Säugling mit der Sprache zwar «den Eingang in eine umfassendere kulturelle Mitgliedschaft, aber auf die Gefahr hin, Kraft und Ganzheit seines ursprünglichen Erlebens zu verlieren» (Stern, D.: Die Lebenserfahrung des Säuglings. Stuttgart: Klett-Cotta, 1992, S. 177). Und weiter: Säuglinge «werden dem direkten Kontakt mit ihrem eigenen persönlichen Erleben entfremdet» (S. 182).
Jacques Lacan (1966) vertritt wohl ebenfalls eine solche Auffassung: Sprache oder «die symbolische Ordnung» vermittelt uns zwar Denken, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, in der Ersten Person zu sprechen und zu denken, entfremdet uns gleichzeitig aber auch der «Wahrheit», entfernt uns vom «Realen», von unserem ursprünglichen Erleben, das wir danach nie mehr kennen lernen können. Die Sprache führt eine «Spaltung» zwischen dem bewussten Selbst und einer anderen Ordnung des «Seins» ein, die nunmehr unbewusst und verdrängt ist. Was wir als uns selbst kennen, ist unsere von der Sprache, vom «Diskurs des Anderen», durch selbstentfremdende Identifizierungen veränderte Erfahrung. Als erstes kommt die Erfahrung, die eigene Erfahrung, das Gegebene, und danach die Welt, wie sie von der Kultur artikuliert wird.
Lacan zufolge findet das Kind den Zugang zu der symbolischen Ordnung durch seine ödipale Identifizierung mit dem Vater; dieser Identifizierung oder Entfremdung ging jedoch eine frühere Identifizierung vorher, insbesondere mit dem eigenen Bild des Kindes im Spiegel. (Lacan will uns dies als Metapher für jewede Erfahrung nahelegen, die dem Kleinkind das Gefühl seiner selbst als Ganzes, als einheitliches Wesen, als Zentrum der Handlungsfähigkeit [agency] vermittelt.) Noch vor der Sprache hat der Säugling sich selbst voller Angst als zerbrochen, als bruchstückhaft, als Stückwerk erlebt – nach Lacans Wortspiel als ›hommelette‹. Es klinkt sich in das Bild seiner selbst als intakt und ganz ein, um seine Angst zu beschwichtigen.
Lacan muss also dem Säugling in dem «imaginären» vorsymbolischen Stadium ein Gefühl des Selbst als fragmentiert, als mit der Mutter eins seiend, als Lust empfindend beim Anblick seiner selbst als einheitliches Ganzes usw. zuschreiben. Wenn wir mit diesen Wörtern aber auch nur etwas von ihrer gewöhnlichen Bedeutung meinen, dann rechnen wir dem Säugling auch Ideen oder Begriffe von Teil und Ganzem, von Selbst und Anderem zu; und wenn wir sie nicht in ihrem gewöhnlichen Sinn meinen, in welchem dann?
Lacan erkennt, dass dann, wenn ›Trieb‹ ein psychologischer Terminus sein und mentale Zustände beschreiben soll, die Triebe – nach einer von Freud nicht weiter verfolgten Einsicht – repräsentieren müssen. Sie müssen sich einer Theorie der Bedeutung fügen, die ihnen etwa in dem Sinne Inhalt verleiht, dass Überzeugungen und Wünsche einen Inhalt haben. Lacan sieht auch, dass der – vielleicht einzige – Weg dorthin darin besteht, ein vorsprachliches Stadium anzunehmen, das jedoch sprachähnlich ist. Deshalb führt er den Gedanken der Signifikanten [signifiants] ein – mit Bildern verbundene Wörter –, die kein Signifikat [signifié] haben oder nichts bezeichnen. Soweit ich aber sehen kann, ist dies eine Art von Wortmischmasch, motiviert vielleicht durch die im 2. Kapitel angezweifelte Annahme einer genetischen Kontinuität; durch die Idee, dass die Intention, das Denken und die Fähigkeit, mit dem Gesagten etwas zu meinen, in rudimentärer Form von Anfang an präsent sein müssen, wenn sie nicht auf etwas Nichtmentales reduzierbar sind.
Nach meiner und Lacans Auffassung geht das Unbewusste zwar mit der Sprache einher, aber gerade deshalb, weil Sprache oder etwas, das ihr sehr ähnlich ist, die Bedingung für jene komplizierten Intentionen ist, die Freuds Interpretationen mittels des Unbewussten erfordern. Mit der Fähigkeit, sich x als y bewusst zu sein, geht auch die Fähigkeit einher, zu leugnen, dass es dies ist, oder festzustellen, dass es z ist und zu ignorieren, dass es auch y ist; sich von dem, was man nicht sehen will, abzuwenden und das, was man weiß, falsch zu beschreiben, usw. Es gibt keinen Weg, Erkenntnis, Bewusstsein von, Wissen von oder Wissen dass zu haben, ohne auch die Möglichkeit der Fehlerkenntnis und des Irrtums zu haben. […]
Ich habe hier gar nicht erst den Versuch gemacht, auch nur diejenigen von Lacans Ansichten zusammenzufassen, die für das angesprochene Thema wichtig sind. So habe ich weder seinen von Saussure entlehnten Gedanken erwähnt, dass die Grundeinheit der Bedeutung das Wort ist, noch die ebenfalls von Saussure stammende Unterscheidung zwischen «langue» und «parole». [...] Die Leser meiner früheren Kapitel werden erkennen, dass nach der von mir vorgeschlagenen Ansicht die Grundeinheit der Bedeutung nicht das Wort ist, sondern der Satz und dass der Bedeutungsbegriff über den Gedanken der Wahrheitsbedingungen mit dem Wahrheitsbegriff verknüpft ist. Die Bedingungen, unter denen ein Satz vom Sprecher für wahr gehalten wird, sind zum Teil für die Satzbedeutung konstitutiv. Sie sind es nicht insgesamt, weil die Bedeutung jedes einzelnen Satzes abhängig ist von der Bedeutung aller anderer Sätze, mit denen er verbunden ist. Lacan neigt ebenfalls zu dieser Idee des Bedeutungsholismus. Soweit ich sehen kann, ist sie auch der primäre Gehalt seines Begriffs des «schwebenden Signifikanten». Die Verbindungen aber, die Davidson zwischen Bedeutung und Wahrheit findet, gehören nicht zur Theorie Lacans. Und Lacans Idee der Sprache als eine von den Sprechern unabhängige Struktur gehört weder zur Auffassung Davidsons noch zu meiner.
Nichts gesagt habe ich außerdem über die Verbindungen, die Lacan zwischen der Ankunft der Sprache und der Entdeckung zieht, dass man selbst von den anderen getrennt ist. Die Sprache ist ein System aus Zeichen, sagt Lacan, die deshalb Zeichen sind, weil das, was sie repräsentieren, abwesend ist. Sprache ist deshalb nach seiner Auffassung besonders dazu geeignet, die Bedingung des Getrenntseins zu verkörpern. Indem sie dem Kind die Macht der Rede gibt, ist Sprache auch besonders dazu geeignet, den Verlust wettzumachen und dem Kind zu ermöglichen, das Wissen von seiner eigenen Unvollständigkeit zu ›verdrängen‹. Meine Frage an Lacan lautet: Weiß das Kind von seiner Getrenntsein und seinem Mangel vor der Sprache und der symbolischen Ordnung? Wenn nein, wie sollen wie dann den Verlust fassen, den die Sprache kompensiert? Wenn ja, wie unterscheidet sich dieses Wissen als Wissen von dem Wissen, das der «symbolischen Ordnung» eigentümlich ist? (Diese Frage stellt sich im Hinblick auf Lacan in Myriaden von Formen.)”
[Cavell, Marcia: Freud und die analytische Philosophie des Geistes. Überlegungen zu einer psychoanalytischen Semantik. Stuttgart: Klett-Cotta, 1997, S. 166-169]
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„Nach Lacans Theorie ist Bedeutung eine Funktion von Zeichen, und Zeichen existieren nur im Kontext einer Sprache. Im Anschluss an Ferdinand de Saussure vertritt Lacan die Auffassung, dass ein Zeichen die im Grunde arbiträre Verbindung eines Signifikanten – etwa dem Laut oder der Inschrift ›Baum‹ – und einem Signifikat ist. Wenn Saussure diese Verbindung als arbiträr bezeichnete, meinte er erstens, dass jeder andere Laut genauso gut hätte Bäume bezeichnen können, und zweitens, dass jedes Zeichen den Wert, den es hat, nur durch seine Beziehungen zu anderen Zeichen in der Sprache hat: die Bedeutung eines ›Signifikanten‹ ist durch seine Stellung in einer Kette von Signifikanten gegeben, insbesondere durch seine Unterschiede von diesen. Außerdem kann sich die Bedeutung eines Wortes mit der Zeit verändern. (Saussure meinte nicht, wie Lacan unterstellt, dass dies in jedem Augenblick geschehen könne.) Lacan fasst nun den Umstand, dass die Verbindung zwischen Signifikant und Signifikat in allen diesen Sinnvarianten arbiträr ist, dahingehend, dass die Signifikanten ihrem Wesen nach verschiebbar sind, und eben diese Verschiebung hält er nun für die Metapher.
Eines der Probleme in Saussures Erklärung – ein Problem, das Lacan übernimmt – liegt darin, dass Saussure die Unterscheidung zwischen einem Begriff – z. B. ›Baum‹ – und der Klasse von Dingen verwischt, die der Begriff miteinander vernetzt: geistige Bilder und Abbildungen von Bäumen, aber auch reale Bäume in der Welt. Ist der Signifikant das Wort plus der Begriff und das Signifikat somit die Klasse jener Dinge, die der Begriff herauspickt (seine Bezeichnung/Bezugnahme)? Oder ist der Begriff ein Teil des Bezeichneten? Dieser Punkt ist wichtig, denn welchen Laut oder welche Inschrift wir benutzen, um den Begriff ›Baum‹ zu markieren oder auf Bäume Bezug zu nehmen, ist arbiträr in dem Sinne, dass jeder andere Laut oder jede andere Inschrift ebenso gut dafür geeignet wäre. Dies gilt jedoch nicht für die Beziehung zwischen dem Begriff ›Baum‹ und der Klasse von Dingen, auf die er Bezug nimmt. Wegen der Art, wie wir die Dinge in der Welt sortieren, das heißt aufgrund der Eigenschaften, die wir für Bäume als wesentlich erachten, pickt ›Baum‹ Ulmen, Eichen, Weiden usw. heraus und nicht Rosen, Einhörner, Mineralwasser oder Hunde.
Könnten wir denn die Dinge nicht anders sortieren? Ist nicht das von uns so genannte ›Wesen‹ des Baumes davon abhängig, was für uns wichtig ist?
Und könnten sich unsere Kriterien nicht verändern? Gewiss. Begriffe verändern sich. Freilich nicht über Nacht. Sie verändern sich den Entdeckungen entsprechend, die wir über die Welt machen, oder nach den Verschiebungen in unseren Werten und in den Eigenschaften, die wir für prägnant halten, und nach den Gründen, warum wir sie dafür halten. Wir pflegten die Wale für Fische zu halten, bis wir entdeckten, wie die Wale ihre jungen ernähren; dass Männer, und nur Männer ›Präsidenten‹ und ›Geldverdienen‹ sein konnten, bis wir einige unserer Vorstellungen über Männer und Frauen anzuzweifeln begannen. Ihre jeweilige Bedeutung haben Begriffe jedoch nur in einem bestimmten Gebrauchskontext. Welche Objekte in der Welt ein Begriff auswählt, ist unter der Voraussetzung dieses Kontextes jedoch nicht arbiträr.
Dies besagt außerdem, dass die Wechselbeziehung zwischen Begriffen eine wichtige Bedeutungseinschränkung ist, allerdings nicht die einzige. Die Bedeutung von ›Baum‹ ist teilweise durch ihre Verbindung zu anderen Begriffen wie zum Beispiel Busch, wachsendes Ding usw. festgelegt und teilweise durch die Wechselbeziehung zwischen Wörtern und Sprechern sowie zwischen Wörtern, Sprechern und Welt. Lacan will die Sprache als unpersönliches System denken, das unabhängig von gesprochener Sprache und Sprechern existiert; als ein System, in das jeder von uns als denkendes Wesen hineingeboren wird, und das uns allmählich voneinander entfremdet. Sprache lässt sich jedoch nicht auf diese Weise von der Rede abtrennen und Begriffe nicht von den Begriffsbenutzern.
Natürlich werden nicht alle Begriffe von realen materiellen Objekten exemplifiziert, zum Beispiel ›Einhorn‹. Gerade die Wissenschaft ist in dieser Hinsicht voll von komplexeren Problemen. Jede Theorie der Zeichen (und der Sprache) muss jedoch eine Theorie der Bezugnahme enthalten: darüber, wie die Wörter sich an der Welt festmachen. Sie muss uns sagen können, wie Bedeutung oder Sprache überhaupt in Gang kommt. Es gibt viele verschiedene Versuche, diese Geschichte zu erzählen. Sie brauchen jedoch alle jene ehrwürdige Unterscheidung zwischen dem Begriff und den Dingen, die den Begriff exemplifizieren, oder zwischen Konnotation und Denotation oder zwischen Sinn und Bezugnahme – eine Unterscheidung, die Lacan verwischt. (Diese Paare von Termini sind zwar nicht austauschbar, aber sie sind alle dazu benutzt worden, um so etwas wie die angesprochene Unterscheidung zu kennzeichnen.) Eine Bedeutungstheorie braucht also mindestens drei kritische Termini: Laut oder Inschrift, Begriff und Bezugsobjekt [referent] des Begriffs. Weil Lacan die Unterscheidung zwischen den letzten beiden Termini vernachlässigt, kann er behaupten, dass es keine außer sprachliche Realität gibt, auf die die Wörter Bezug nehmen, und dass »die Welt der Wörter die Welt der Dinge erschafft«, wie er dunkel formuliert.
Indem Lacan die Verbindungen zwischen Außenwelt und Begriffen sowie zwischen Begriffen und Sprechern ignoriert, ignoriert er auch die Unterscheidung zwischen Bedeutung und Gebrauch eines Terminus. Eben diese ist jedoch für das Verständnis der Metapher entscheidend. (Siehe Davidson, «What Metaphors Mean», in: ders. Wahrheit und Interpretation, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1986).”
[Cavell, Marcia: Freud und die analytische Philosophie des Geistes. Überlegungen zu einer psychoanalytischen Semantik. Stuttgart: Klett-Cotta, 1997, S. 247-2249]
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„Bei Lacan erscheint die differentielle Tätigkeit der Sinngebung1 unter der Kategorie eines «singulier»: ihre Individualität, und das heißt: ihre Nicht-Allgemeinheit, hindert die von ihr gestifteten Zeichen an der Möglichkeit der identischen Wiederholung. Immer ist ein «Unartikulierbares» im Spiel, das die «repetition of the same» (wie Searle sagt) problematisiert, indem es die Grenzen des jeweils herrschenden taxonomischen Systems im Akt seiner Anwendung annagt. Derrida dagegen glaubt, der Gebrauch des Begriffs der «singularité» appelliere an sein System von Voraussetzungen, darunter besonders diejenige der Einheit und Permanenz der Person im Wechsel ihrer Zustände und der Ereignisse, in die sie verwickelt wird. Individualität erscheine bei Lacan wie in der europäischen Tradition überhaupt als «der Ort einer Übereinkunft der Wahrheit in sich selbst»2, als adäquate und terminale Reflexion der Wahrheit in sich. Das mag für eine gewisse Tradition der Subjekt- und Vernunftphilosophie gelten – der romantische (und der Lacansche) Individualitätsgedanke lässt sich durch das klassische Reflexionsmodell nicht nur nicht fassen; er hat dieses Modell zuerst angefochten und die Grundlagen einer Sprachphilosophie geschaffen, in deren Tradition Derrida selbst steht.”
[Frank, Manfred: „Die Entropie der Sprache. Überlegungen zur Debatte Searle-Derrida.” In: ders.: Das Sagbare und das Unsagbare. Studien zur neuesten französischen Hermeneutik und Texttheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1980, S. 199]
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1 Natürlich ist das kein Lacanscher Terminus: ich übersetze – der Einfachheit halber – Lacans Theorem vom fehlenden Signifikanten, dessen Verlust allen anderen Signifikanten der ‘symbolischen Ordnung’ zur Bedeutsamkeit, verhilft, durch Derridas Kunstausdruck der ‘différance’.
2 Derrida: Le facteur de la vérité, 112.
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Das Zeichen für Saussure und für Chomsky und die Sprache für Freud und Lacan
„Das Modell von Saussure ist axiomatisch (Forderung eines Minimums an evidenten Axiomen und Ausgangsbegriffen), während dasjenige von Chomsky am kritischen Rationalismus orientiert ist (Forderung eines Maximums an nichtevidenten, falsifizierbaren Hypothesen). Dieser Unterschied dürfte aber das Gemeinsame nicht verdecken.
Saussure geht von einem privilegierten Begriff, dem des linguistischen Zeichens aus, dem er ein Axiom hinzufügt, dass nämlich die Sprache ein Zeichensystem sei. Chomsky dagegen kommt ohne einen Zeichenbegriff und dessen Aporien aus und verzichtet darauf, «Grundbegriffe» einzuführen; es ist die Systemform selbst, die in ihren Differenzierungen diese Rolle übernimmt.
Das Zeichen wird durch Saussure als «arbiträr, negativ und zweiseitig» definiert, wobei die zwei ersten Eigenschaften seine Besonderheit ausmachen. Saussure führt einen absoluten Dualismus, Kantischer Herkunft, zwischen den Dingen und den Zeichen ein. dass die Linguistik eine Wissenschaft der Zeichen als reiner Form sei, bedeutet, dass Saussure die ontologische Frage nach dem Ursprung der Zeichen als eine imaginäre Frage erkannt hat, denn jeder Ursprung kann nur mit der Bildung eines Fantasmas bzw. eines Mythos beantwortet werden. Aber dafür hat er einen Preis zahlen müssen, nämlich die Weigerung, etwas über die Dinge wissen zu wollen (wogegen Lacan die Möglichkeit des Wissens hervorhebt). Obwohl er ein nach Aristotelischem Muster axiomatisches Modell wählte, akzeptierte er weder die ontologische Frage nach dem Ursprung noch die Frage nach der Wahrheit, und dadurch reihte er sich in die Galileische Tradition ein.
Der arbiträre Charakter des Zeichens kann so formuliert werden: «Es gibt die Sprache». Darin liegt die Willkür der Herrn, des ersten Gesetzgebers. Die Betonung des kontingenten Aspekts des Zeichens musste die Frage nach seiner Gründung jedoch offen lassen. Benveniste und Milner betonten, dass der arbiträre Charakter nur bedingt gilt und seine Hervorhebung den Diskurs des Herrn erzeugt, so wie das Lacan gezeigt hat.
Der relative Aspekt der Zeichen, die sich nur gegenseitig (negativ), aus ihrer Opposition zueinander (entgegen der klassischen philosophischen Tradition) definieren, basiert ebenfalls auf dem absoluten Dualismus, der keine unabhängige Identität der Zeichen zulässt, die nur durch die Hinzunahme von dinglichen Aspekten zu Stande kommen könnte.
Die Eigenschaften des Zeichens werden bei Chomsky einzeln und unabhängig vom Zeichenbegriff in seine Theorie integriert. Statt des arbiträren Charakters von nicht beobachtbaren Einheiten geht er von der Beschreibung von unmittelbar beobachtbaren Daten aus, welche aber ebenfalls eine Reihe von möglichen Aspekten ausschließen. Andererseits geht Chomsky, statt von den zweiseitigen und differentiellen Aspekten des Zeichens, von der reinen Differenz zwischen den verschiedenen Sprachniveaus aus. Somit könnte man als Kern der Linguistik folgendes annehmen:
a) Wahl eines Wissenschaftsmodells, in dem ein vorstellbares, durch Regeln gegebenes Objekt konstruiert wird;
b) Eine Operation des Ausschlusses von bestimmten Aspekten, die nicht zum Objekt gehören, also eine Anwendung des Nichtall-Operators, die die Bildung des Universums «Sprache» ermöglicht und darin besteht, nichts «anders» über dieses Objekt wissen zu wollen;
c) Die These, dass es in der Sprache etwas Unterschiedbares, Diskretes gibt, sei es zwischen Zeichen oder Niveaus oder Segmenten der Sprache.
Entgegen einer hermeneutischen oder strukturalistischen (Saussure) Vorstellung, ist also das Ziel der Linguistik (wie der Sprache) das Reale (und nicht eine Fiktion), von dem sie verlangt, dass es durch das Eine, d.h. das Unterscheidbare, markiert wird. D. h. das Eine auf dem Niveau von Lalangue ist die Möglichkeitsbedingung der Linguistik. Und dies ist der Beitrag der Psychoanalyse zur Sprachanalyse: dadurch, dass Freud im Unbewussten, d.h. in Lalangue, den Punkt entdeckte, in dem die Sprache und das Begehren sich gegenseitig «verfälschen» und artikulieren, indem er das unbewusste Denken entdeckte, ermöglichte er die Behauptung, dass die Linguistik, gerade durch die Bildung von Differenzen, das Reale berührt. Das Reale ist in der Sprache nicht ein Kontinuum, ein Fluss, der willkürlich zurechtgeschnitten wird; die distinktiven Einheiten oder Differenzen, mögen sie auch je nach Paradigmawahl anders definiert werden, deuten auf einen nichtkonventionellen Charakter hin. Deswegen spielt es keine große Rolle, welcher besonderen Form von Linguistik Freud oder Lacan sich bedient haben und ob sie die adäquate war. Worauf es ankommt, ist vielmehr, dass beide die Möglichkeit der Schrift verlangt und gefunden haben. D.h. die Psychoanalyse interessiert sich dafür, dass es «das Eine gibt» (J. Lacan: Séminaire XX, S. 63).
Auf diese Weise kann man weder behaupten, dass die Sprache die Territorialisierung oder «Kolonisierung» von Lalangue ist, noch dass der ausgeschlossene Rest den Anstoß zu einer neuen Antiwissenschaft, der Grammatologie geben könnte.
Dadurch relativiert sich auch die Bedeutung der Kritik Benvenistes an Abel, der für Freud das linguistische Modell lieferte. Denn Benveniste war als Linguist bestrebt, eine adäquate Darstellung der Sprache als Struktur zu geben, und dies war nur unter der Einführung zusätzlicher Differenzen möglich: er weist nämlich dem zweideutigen Gegensinn der Ursprungswörter einen besonderen Ort, sowohl infra- als auch supralinguistisch, zu, als Traum- und als Mythensprache sui generis. Freud war dagegen an dem Punkt interessiert, an dem diese Differenzen sich verwischen, ohne sich aufzuheben.
Die Existenz des Einen ist der eine Grundsatz, der auf Lalangue hinweist. Der andere, schon erwähnte Grundsatz, besteht in der Feststellung «Alles lässt sich nicht sagen». Es gibt in der Sprache nicht korrekt gebildete Segmente, die eben nicht erlaubt sind und verboten werden. Aber jenes «Alles» hat auch eine zweite Bedeutung: nämlich dass es noch ein anderes, das Reale gibt, dass «objektiv» immer Worte fehlen um alles, um irgendein anderes, «nie da gewesenes» Objekt zu benennen, d.h. es ist unmöglich, die Unendlichkeit der Dinge auf endgültige, abschließbare Weise zu benennen und zu erfassen. Es entsteht ein Paradoxos: das, was für das sprechende Wesen den Ort einer Unmöglichkeit ausmacht, bildet ebenfalls den Ort eines Verbots.”
[Lipowatz, Thanos: Die Verleugnung des Politischen. Die Ethik des Symbolischen bei Jacques Lacan. Weinheim und Berlin: Quadriga Verlag, 1986, S. 37-39]
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„Freud wusste die Sprache als Struktur, vom Sprechen als Funktion bzw. Handlung zu unterscheiden und Lacan identifizierte in Anschluss an R. Jakobson die Achse der Synchronie mit dem Gedächtnis (Langue, structure) und die der Diachronie mit der Wahrnehmung (parole, fonction). Vgl. S. Freud: Die Verneinung, in SA III, S. 374, 375; E. Benveniste: „Remarques sur la fonction du langage dans la découverte freudienne“, in: Problèmes de linguistique générale I, S. 78).“
[Lipowatz, Thanos: Die Verleugnung des Politischen. Die Ethik des Symbolischen bei Jacques Lacan. Weinheim und Berlin: Quadriga Verlag, 1986, S. 49 Anm. 68]
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„Bei Saussure ist das Unterscheidende zwischen zwei Zeichen, das die Grenze erzeugt: jedes Element ist die Grenze und das In-der-Schwebe-halten des anderen. Der Dualismus zwischen Wort und Ding ist eine andere Form derselben Grenze. Das Ding wird vermittels der Operationen der Universums- und der Ausnahmebildung negiert, und dadurch konstituiert sich die Sprache. Heute setzen die Linguisten eine reine Grenze, die das Extralinguistische darstellt, ohne darüber etwas Weiteres auszusagen. Die singulären Elemente (Personalpronomina, Shifter, usw.) sind dabei diejenigen Elemente, die gleichzeitig die Niveauschichtung, die Teilung und den Dualismus des Sprachsystems in Frage stellen.
Bei den Logikern stellt sich die Frage anders als bei den Linguisten, denn sie verfügen nicht über ein empirisch vorgegebenes Universum. Die Grenze kommt hier durch die Struktur selbst, durch die Bildung von Metasprachen, bzw. «logischen», künstlichen Sprachen zustande. Es gibt dabei immer mindestens ein Element, das sich einer logischen Sprache entzieht und das ist die logische Sprache selbst. (Vgl. K. Gödel: “Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I”, in: Monatsheft für Mathematik und Physik Bd. 38 (1931), Heft 1. Für Lacan ist der Satz «Es gibt keine Metasprache» äquivalent mit: «Es gibt Lalangue»).
Das wird verschieden aufgefasst. Der Versuch der zunehmenden Formalisierung von logischen Sprachen zwingt diese dazu, vor der natürlichen Sprache die Flucht zu ergreifen, was sich in der endlosen, hierarchischen Folge von Metasprachen äußert. Dieser Versuch hat aber auch immer eine kritische Intention, die bei aller Kritik am Formalismus nicht vergessen werden darf. Denn er destruiert nicht nur die Zweideutigkeit der natürlichen Sprache, sondern auch die imaginären Projektionen und Abschließungen, die diese ebenfalls enthalten, so dass eine logisch konstruierte Sprache ihre Legitimation immer in der Destruktion von Ideologie finden kann.
Die Linguisten befinden sich in einer anderen Situation: sie können immer innerhalb des Universums der Alltagssprache eine interne Grenze in der Unterscheidung korrekt-nicht korrekt finden. D. h. die Sprache, die als Universum eingeschrieben wird, verdinglicht sich zu einem Netz von Pflichten und Verboten (Untersagungen). Diese Verdinglichung ist in einem gewissen Maß unumgänglich, sollte nicht jeder Sinn «zerfließen». Die untersagte Redewendung ist eine paradoxe Formation, denn sie ist und ist nicht in der Sprache – sie wird untersagt, nur indem sie «möglich» ist, aber gleichzeitig soll sie das Unmögliche «repräsentieren». Das Paradoxon liegt darin, dass das, was unmöglich ist, überdies noch verboten wird. [...]
Das Indiz, dass in der Sprache etwas Reales existiert und dass sie nicht bloße Konvention ist, liegt in der Untersagung. Lacan formuliert das so: Alles kann nicht gesagt werden. Das Verbot, worin sich Sprache und Lalangue treffen, äußert sich im Moment des Aussagens.”
[Lipowatz, Thanos: Die Verleugnung des Politischen. Die Ethik des Symbolischen bei Jacques Lacan. Weinheim und Berlin: Quadriga Verlag, 1986, S. 41-43 ]
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“A lo largo de la historia de la filosofía se ha propendido a manifestar distintas consideraciones acerca del hombre. Una, por ejemplo, que va desde Platón a nuestros días, hace del hombre una realidad estratificada: por un lado, un organismo; por otro lado, un psiquismo con su estrato vegetativo, sin estrato sensitivo y su estrato intelectivo. Pero el hombre no es una realidad estratificada, sino una sustantividad que ejecuta una sola cosa: un acto vital en el que se posee a sí mismo en forma de automorfismo y en forma de autodefinición.
También Aristóteles pretendió lograr una concepción unitaria del hombre: el hombre como una unidad fue la definición formal de Aristóteles, pero una unidad que, sobre todo a lo largo de la filosofía medieval y de la filosofía moderna, ha cobrado el carácter de lo que pudiera llamarse una unidad braquial, esto es, como de un árbol; una sustancia de la que emergen ramas, cada una de las cuales es una potencia. La unidad del hombre es la de una sustantividad que no puede ejecutar una actividad estrictamente unitaria. Podrá ser polarizada más en un sentido que en otro, pero no puede interpretarse como una congerie de potencias vinculadas entre sí por una estructura de adición, o por una estructura de subalternación imperante y despótica. El hombre no es una sustancialidad, sino una sustantividad, y aquello que constituye su sustantividad no es el ser racional, sino el ser inteligencia sentiente.
Tampoco la división bipartita desde las categorías de zoé y bios da cuenta de lo que es en realidad el hombre. Ni siquiera la interpretación de ese bios desde la perspectiva de la comprensión del ser resuelve el problema. El ser, en efecto, es posterior constitutivamente a la realidad. Lo que es está montado constitutivamente sobre lo que hay, y lo que hay no le viene al hombre por ninguna comprensión del ser; le viene por la estructura psicofísica de su sustantividad, cuya última y radical posibilidad es una inteligencia sentiente. El hombre no es tampoco un ser en quien la existencia precede a le esencia; es algo completamente distinto. El hombre es una esencia abierta, abierta al orbe de la perfectividad, pero no al orbe de la sustantividad.
En definitiva, lo que decide de la realidad del hombre no es una forma de razón, porque incluso lo que decide cualquier forma de razón es la inteligencia. Cualquier forma de razón pende de que el hombre tenga inteligencia. Decir que el hombre con la razón aprehende la realidad es una verdad. Pero la aprehende no porque es razón, sino porque la razón es una forma de inteligencia. El hombre, repito, es constitutivamente inteligencia sentiente, y en su sustantividad misma es el hombre un animal de realidad, definido unitariamente en forma de corporeidad. Por serlo tiene que autoposeerse en decurrencia desde las cosas, desde sí mismo, y desde los demás en orden a su propia, apropianda y apropiada felicidad, frente a la cual las demás posibilidades son siempre problemáticas. El acto de su apropiación es justamente su sancionamiento.“
[Zubiri, X.: Sobre el hombre. Madrid: Alianza Editorial, 1986, p. 674-675]
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„Al igual que el organismo, la psique no está dada de una vez para todas; la psique no surge ya completamente hecho, ni en el individuo ni en la especie. Hay, pues, una estricta morfogénesis de la psique. A mi modo de ver es esencial la idea de una morphé, de una forma de la psique misma y no sólo del psiquismo. Pero esta morfogénesis de la psique no es sino un momento de la morfogénesis. Porque desde el plasma germinal no hay sino un solo sistema integral psico-celular. Y por tanto la morfogénesis es una morfogénesis del sistema, que es «a una» psíquica y orgánica. No hay sino una morfogénesis humana desde el plasma germinal. Y en esta fase germinal la psique se va conformando genéticamente en actividad pasiva. Muy poco más adelante precisaré esta idea. La he anticipado aquí para eliminar desde un principio la idea de que la psique está adscrita en exclusiva al sistema nervioso, y sobre todo al cerebro. Esto es, se ha generalizado la idea de que lo psíquico no comienza más que cuando hay cerebro. Pienso, por el contrario, que la psique está adscrita al plasma germinal, y en él está en actividad bien que pasiva. Su psiquismo es entonces puramente pasivo. Ciertamente, el cerebro influye evidentemente en el psiquismo, pero esta influencia no significa que antes del cerebro no hubiera psique en actividad pasiva. Es la célula germinal a lo que la psique está primaria, radical y formalmente adscrita. Lo que el cerebro hace es autonomizar hasta cierto punto la fase accional del psiquismo. Gracias al cerebro la psique entra en actividad accional, esto es, en lo que con notoria impropiedad se ha llamado «psiquismo superior» y conciencia. Nada menos, pero nada más. Yo he dicho que el cerebro autonomiza este aspecto del psiquismo «hasta cierto punto», porque el cerebro no sólo regula la actividad de la psique y del organismo, sino que esta actividad psico-orgánica está a su vez regulando la actividad nerviosa y cerebral, por tanto el psiquismo entero. Es una unidad cíclica que pone bien de manifiesto que la psique no está primaria y radicalmente adscrita al cerebro sino al organismo entero desde la célula germinal. Más aún, este proceso cíclico no se limita a la transmisión del impulso nervioso, sino que tiene un aspecto bioquímico esencial. El cerebro mismo «segrega» neuropéptidos y hormonas que regulan la actividad de la hipófisis. Y en términos más generales, hay toda la actividad de los transmisores bioquímicos. No son ellos los que «explican» lo psíquico, sino que son los que conforman pasivamente la psique adscrita al organismo desde el plasma.
En el proceso morfogenético desde el plasma germinal se va conformando la psique, digo. Y en esto consiste, a mi modo de ver, el objeto de lo que se ha llamado «psicología profunda»: es el proceso de constitución psíquica concreta desde el plasma germinal mismo. No es el dominio de lo «preconsciente» en cuanto «pre» de la conciencia, porque esto sería dar por sentado que lo psíquico es por esencia «conciencia», y que todo lo demás es mera preparación para ella. Tampoco es el dominio de lo consciente «reprimido», es el dominio de la constitución de los caracteres del psiquismo en cuanto «realidad psíquica». La conformación de la psique como realidad es, pienso, lo que constituye la psicología profunda. Esta psicología no puede identificarse con lo biológico, pero no puede prescindir de lo biológico, porque toda actividad humana sin excepción ninguna es constitutivamente psico-orgánica. Lo profundo de la psique no es un sistema de secuelas más o menos larvadas de actos ejecutados, sino la configuración de la psique misma, proceda o no de influencias externas. Si estas influencias existen, lo profundo está no en las secuelas que dejan en el funcionamiento psíquico sino en la formación de la psique misma. Tanto más cuando que esta conformación no siempre se debe a influencias externas. Puede deberse a la constitución misma del plasma germinal.”
[Zubiri, Xavier: Sobre el hombre. Madrid: Alianza Editorial, 1986, pp. 489-491]
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„La psique y todas, absolutamente todas sus notas, se van haciendo unitariamente de un modo pasivo en la actividad psico-orgánica en que el hombre consiste. Toda la actividad humana es constitutivamente psico-orgánica.
Lo orgánico es un momento intrínseco y formal de todo lo psíquico. Desde la integridad y el equilibrio génico hasta la diferenciación (histológica, anatómica, y topográfica) y la organización funcional del cerebro, lo orgánico es un momento intrínseco y formal de toda actividad psíquica, por ejemplo, la intelectual. Un momento ciertamente de diverso carácter. Pero todos estos factores orgánicos están modelando intrínseca y formalmente el modo de pensamiento y de intelección; la oligofrenia fenilpirúvica y el mongolismo nos lo ha puesto bien de manifiesto. Más aún, cuando se organice el cerebro, habrás aspectos de la actividad psíquica más o menos topográficamente localizados, a veces (como en el sistema límbico) con una precisión casi microscópica, rayana en lo increíble. Otros aspectos no acusan hoy por hoy esta localización precisa, pero sí exigen la actividad cerebral. Así, no hay ningún «área» cerebral específicamente determinada para la intelección, pero se requiere un mínimo de corteza y de organización funcional para ella. Es una especie de actividad cerebral inespecífica. [...] Por ejemplo, la evidencia según la cual se «ingelige» que dos y tres son cinco no es algo que cueste trabajo. Pero es que la realidad de la intelección humana no está constituida sólo por esta evidencia. Es que el hombre tiene que estar inteligiendo con evidencia que dos y tres son cinco. [...] El esfuerzo de intelección no es mera condición intrumental de ésta, sino un momento intrínseco pero formal del proceso intelectivo. Las estructuras cerebrales modelan, pues, el tipo y el proceso de intelección.
Pero, por otra parte, no hay procesos orgánicos en el cerebro capaces de dar cuenta de una idea genial, de una evidencia creadora, etc. El electroencefalograma de un genio y el de un hombre vulgar son en principio iguales. [...]
En todas sus fases vitales, pues, el hombre no tiene más que una sola y misma actividad psico-orgánica con dominancia variable de pasividad y de accionalidad en unas notas a diferencia de otras. No hay actuación de la psique «sobre» el organismo, ni de éste sobre aquélla, ni hay un paralelismo entre ambos, porque lo que no hay es ese «ambos»; no hay sino una única estructura psico-orgánica cuya unitaria actividad se despliega variablemente a lo largo de la vida. Cada fase de esta actividad es la constitución de un nivel psico-orgánico.”
[Zubiri, Xavier: Sobre el hombre. Madrid: Alianza Editorial, 1986, pp. 492-494]
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„Fijemos los hechos dados: 1.°, el olvido de la representación; 2.°, su recordación después de; 3.°, vencer grandes resistencias que el enfermo mismo opone, sin darse cuenta, a la reproducción de la escena en la memoria. Entre los dos primeros hechos, el tercero equivale a un puente, es decir, a una explicación. En efecto: la «resistencia» que ofrece la conciencia del individuo a que en ella penetre, en forma de recuerdo, aquella representación o serie de ellas sugirió a Freud la siguiente hipótesis, centro de todas sus doctrinas: Las mismas fuerzas que hoy oponen resistencia a que lo olvidado vuelva a ser hecho consciente tuvieron que ser las que en otro tiempo produjeron el olvido y que expulsaron las representaciones patógenas fuera de la conciencia.
He aquí una nueva idea que, armada de todas armas, salta a la arena ideológica: la expulsión o remoción (Verdrängung).
Según Freud, en el centro de todos los acontecimientos emocionales que originan la histeria hay un deseo, una fuerte exigencia emergente, que, siendo incompatible con el resto de las ideas, convicciones y deseos dominantes en el individuo, son las fuerzas eyectoras. El deseo que irrumpe en el equilibrio de la conciencia es en sí una petición de placer, de una situación grata, pero frente al resto de nuestros deseos y pensamientos se convierte en motivo de enojo y descontento. Da lugar, pues, su aparición, a un breve conflicto que se resuelve con la expulsión de la imagen levantisca e intrusa. Con la expulsión fuera de la conciencia: bien, pero ¿dónde cae? ¿En qué territorio, en qué mazmorra del ánimo viene a ser recluida? Simplemente, opina Freud, fuera de la conciencia, en lo inconsciente. [...]
Por el pronto, basta con acotar bien el valor del término freudiano: inconsciente es el contenido psíquico que, no sólo no está en la conciencia ahora o en el otro instante, sino que no puede volver a ella porque ha sido expulsado y se la han cerrado las puertas. Reducido a este valor queda este término provisionalmente aceptable, simple nombre de una determinación descriptiva distinto de las suposiciones metafísicas que en la terminología filosófica ha llevado a cuestas (Hartmann).
Constantemente se suscitan en nuestro interior deseo y con gran frecuencia verificamos su expulsión. Sin embargo, no trae ésta consigo el desarreglo histérico o neurótico. En primer lugar, aquellos deseos son de ordinario compatibles de alguna manera con nuestras prescripciones éticas y estéticas fundamentales, de modo que, aunque resulten parcialmente incompatibles, nuestra relación con ellos es de pacto y contrato. Los expulsamos persuasivamente; mejor aún, hacemos que ellos mismos se resuelvan e inserten en la vida general de nuestra conciencia; la expulsión no es, pues, tal expulsión. Otras veces el deseo es perentorio y a la par incomportable radicalmente con nuestras normas íntimas: entonces el conflicto surge y con él el enojo, el sufrimiento espiritual que mueve a la expulsión. Mas, en lugar de realizar ésta sumaria y automáticamente, dejamos que el conflicto perdure, soportamos la desazón y damos al afecto intruso espacio y coyuntura para que se desarrolle y gaste su energía. La conclusión en este caso, como el anterior, es que se disuelve en la corriente principal de la conciencia.
La expulsión engendradora de síntomas patológicos es, pues, la expulsión brutal y a la vez fracasada: brutal, porque arroja a la representación concupiscente de una manera violenta y mecánica; fracasada, porque el deseo bien que en los aledaños de la conciencia, perduda con toda su integridad y desde fuera influye en la vida consciente enviando a ella como sustitutos que salvan la consigna, elementos extraños y subrepticios que perturban la policía y el régimen normal de la psique. Estos últimos son los síntomas patológicos.”
[Ortega y Gasset, José: “Psicoanálisis, ciencia problemática” (1912). En: Obras completas. Madrid: Revista de Occidente, 1961, vol. I, pp. 225-227]
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“Otro tipo de faltas en la memoria está constituido por el falso recuerdo. Si en el caso anterior queda un vacío en la reminiscencia, en esta otra clase de perturbaciones mínimas ese vacío se llena, pero no con la representación debida, sino con otra. Hay, pues, una formación compensadora, lo que hace al síntoma mucho más característico.
Así refiere Freud un ejemplo que también es de viaje y de Italia. Hacía una jornada en coche, de Ragusa, en Dalmacia, a una estación de Herzegovina con un amigo. La conversación vino a dar sobre viajes por Italia, y preguntó a su acompañante si había estado en Orvieto y había visto los estupendos frescos del Domo pintados por ... Un momento de vacilación. En lugar del nombre Signorelli, autor de aquellos frescos, se presentan otros dos nombres: Botticelli y Boltrafio, que al punto son reconocidos como falsos. ¿Por qué estos dos nombres, de los cuales uno de ellos es mucho menos familiar que Signorelli?
El análisis mostró que la serie de pensamientos correspondientes al tema de esta conversación había sido perturbado por un tema no satisfecho de otra conversación anterior. Momentos antes, en efecto, habían hablado de las costumbres turcas en Bosnia y Herzegovina; de la fe que tienen los turcos en el médico, y de su fatalismo. Cuando se les dice que el enfermo no tiene remedio exclaman: «Herr (Señor en alemán), ¿qué se le va a hacer? Bien sé que si tuviera salvación le habrías salvado». Resulta, pues, que entre Signorelli y Botticelli-Boltrafio, se había interpolado por asociación Herzegovina, Bosnia y Herr.
Ahora falta buscar el punto en que la línea que va de Signorelli a Herr y la que asciende hasta Boltrafio y Botticelli se unen en una representación expulsada.
Freud prosigue diciendo que la palabra Herr y las reminiscencias sobre las costumbres turcas que un colega suyo le había descrito le llevó a recordar la exasperación de la sexualidad que les caracteriza, y cómo resignados ante el destino, la menor dificultad para el goce erótico les subleva y les impele al suicidio. Un paciente de su colega había dicho a éste: «Herr, ¿tú sabes? Si esto se acaba, la vida no tiene valor». Estas representaciones de muerte y sexualidad despiertan de pronto en el ánimo de Freud el recuerdo de una noticia enojosísima que pocas semanas antes había recibido durante su estancia en Trafoi. «Un paciente – dice – con quien me había tomado mucho trabajo había puesto fin a sus días a causa de una perturbación sexual incurable. Sé con toda seguridad que durante mi viaje a Herzegovina ni este triste suceso ni cuanto con él íntimamente se relaciona me había venido a la memoria consciente».
De este modo queda reconstruida la cadena: de la representación expulsada va una línea en prieta asociación hasta Signorelli, pasando por Herr. Otra línea va pasando por Trafoi y Boltrafio y Botticelli. Pero estos tres nombres se hallan unidos a su vez por una asociación superficial e inocente: Signorelli, Botticelli, Boltrafio, Trafoi, Bosnia. La asociación en profundidad arranca de la memoria a Signorelli y se lo lleva a la mazmorra de lo inconsciente, enviando en su lugar dos representantes indocumentados que al parecer en la conciencia no saben a qué han venido ni por qué está allí. En realidad, son símbolos del deseo expulsado y latente.”
[Ortega y Gasset, José: “Psicoanálisis, ciencia problemática” (1912). En: Obras completas. Madrid: Revista de Occidente, 1961, vol. I, p. 234-235]
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“Las teorías filosóficas y los fenómenos sociales se interpenetran con frecuencia. Podemos representarnos esta mutua relación mediante un diagrama consistente en dos círculos que se intersecten o no según se revelen o no entre ellos intereses y problemas comunes. Pueden considerarse como fuera de las áreas que se traslapan las cuestiones tecnológicas y los problemas filosóficos «más técnicos». Ahora bien, puesto que algunas áreas se traslapan efectivamente, ciertos autores concluyen que cabe hablar de una de ellas en términos de la otra. Olvidan que si se proporciona una explicación de este tipo no hay razón para que no sea corregida, o complementada, por una explicación opuesta; que, si A explica del modo indicado B, no hay motivo para que B no explique también A. [...] A tal fin es menester que los factores en cuestión participen en intereses análogos y susciten similares problemas.
De modo parecido puede haber áreas en el desarrollo filosófico y en el desarrollo de la sociedad humana que tengan poco en común. Por lo demás, cuestiones similares se suscitan cuando se plantea el problema de las posibles relaciones entre el conocimiento filosófico y otros modos de conocimiento. También aquí podemos imaginar dos círculos que intersectan en ciertas áreas más o menos amplias. Así, hay un área común de problemas e intereses que afecta a la vez al pensamiento filosófico y al psicoanálisis (y, en general, a la explicación psicogenética). Es razonable suponer que los psicoanalistas pueden decir algo interesante o significativo acerca de las doctrinas filosóficas; pueden demostrar, por ejemplo, de qué manera algunas han surgido y se han desarrollado en la mente de ciertos pensadores. Pero, al mismo tiempo, debe reconocerse que la filosofía puede dar cuenta de ciertos aspectos del psicoanálisis; puede indicar, por ejemplo, qué clase de supuestos dan por sentados los psicoanalistas cuando proceden a examinar los orígenes de algunas doctrinas filosóficas.”
[Ferrater Mora, José: La Filosofía actual. Madrid: Alianza Editorial, 1969, p. 161-162]
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“No aceptaré, pues, el sofisma reduccionista consistente en creer que, puesto que podemos usar conceptos sociológicos con el fin de discurrir sobre teoría filosóficas, las últimas se reducen necesariamente a los primeros. No es difícil desmontar esta falacia mostrando simplemente que, una vez conocidos todos los factores sociales que han contribuido a la formación de una teoría filosófica, todavía no alcanzamos a comprender la naturaleza específica de ésta. El común origen «burgués» de las filosofías de Kant de Maine de Biran no nos dice gran cosa acerca del carácter específico de cada una de estas filosofías. «Lo malo, con explicaciones de esta índole – ha escrito Étienne Gilson (1937) –, no es que no funcionen, sino que funcionan siempre y con el mismo éxito infatigable.» La teoría social de la filosofía sólo requiere un supuesto razonable: el de que, además de ser acontecimientos intelectuales, las filosofías son asimismo fenómenos sociales.”
[Ferrater Mora, José: La Filosofía actual. Madrid: Alianza Editorial, 1969, p. 163-164]
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